Tokio - Am ersten Handelstag nach dem verheerenden Erdbeben haben die japanischen Aktienmärkte dramatische Verluste erlitten. Der Nikkei-Index mit den 225 wichtigsten Werten schloss am Montag um 6,18 Prozent tiefer bei 9620,49 Punkten. Dies ist der größte Tagesverlust seit den Kursturbulenzen rund um die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008. Der Aktienumsatz erreichte am Montag mit 4,88 Milliarden Papieren den höchsten Stand seit dem Zweiten Weltkrieg.

Beben vernichtet Milliarden

Insgesamt wurden am Montag an den japanischen Aktienbörsen rund 200 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung vernichtet. Dies entspricht gut einem Viertel des Börsenwertes aller 30 Dax-Unternehmen oder dem Bruttoinlandsprodukt Dänemarks.

Die Betreiberfirma mehrerer havarierter Reaktoren, Tepco, wurde wegen einer Fülle von Verkaufsaufträgen vom Handel ausgesetzt. Der Nikkei hatte nach dem Beben am Freitagnachmittag (Ortszeit) bereits 1,7 Prozent verloren, zu diesem Zeitpunkt war aber das Ausmaß der Katastrophe noch nicht absehbar.

Verluste auch in Europa

Auch die europäischen Börsen konnten sich den Folgen des japanischen Erdbebens nicht entziehen und verzeichneten am Montag zu Handelsbeginn teils herbe Verluste. Die Wiener Börse verlor knapp über ein Prozent. Der Frankfurter DAX sackte um 1,75 Prozent ab, der Londoner FTSE fiel um knapp 0,3 Prozent. Gegen Mittag erholten sich die europäischen Börsen aber und drehten teilweise sogar ins Plus (siehe Marktberichte).

Die japanische Zentralbank kündigte eine drastische Notmaßnahme zur Beruhigung der Finanzmärkte an. Sie will die Rekordsumme von 15 Billionen Yen (mehr als 130 Milliarden Euro) in den Geldmarkt pumpen. Von der Finanzspritze stünden zwölf Billionen Yen sofort zur Verfügung, weitere drei Billionen Yen sollten am Mittwoch folgen, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. In der Früh hatte die Notenbank bereits sieben Billionen Yen der Gesamtsumme bereitgestellt. Nach Angaben der Wirtschaftszeitung "Nikkei" erwog die Bank of Japan auch, zur Stützung der Konjunktur die Geldpolitik zu lockern.

Toyota stellt Produktion ein

Von den Kursrückgängen waren besonders Hersteller von Autos und Elektronik sowie Betreiber von Ölraffinerien betroffen. Viele Unternehmen mussten wegen der Zerstörungen die Produktion in wichtigen Fabriken einstellen. So gab Toyota bekannt, die Produktion in seinen zwölf japanischen Werken bis einschließlich Mittwoch einzustellen. Die Produktion werde sich um 40.000 Autos verringern. Toyota produziert 38 Prozent seiner Fahrzeuge in Japan. Die Toyota-Aktie gab um 7,9 Prozent nach. Honda-Papiere lagen mit 7,9 Prozent im Minus. Sony-Aktien gaben um 9,3 Prozent nach. Besonders hart getroffen wurden Toshiba (minus 16,3 Prozent) und Hitachi (minus 15,2 Prozent)

"Investoren verkaufen aggressiv, weil sie kein Risiko eingehen wollen", sagte der Wertpapierexperte Hiroshi Arano von Mizuho Asset Management. Analyst Michael Kretschmer von Pelargos Capital sagte, er sehe keine Panikverkäufe, sondern lediglich "viel Lärm am Markt".

"Verluste im Rahmen der Erwartungen"

Der japanische Wirtschaftsminister Kaoru Yosano sagte, die Verluste seien "im Rahmen der Erwartungen" ausgefallen. "Die japanische Wirtschaft hat eine gesunde Basis", versuchte er Rezessionsängste zu zerstreuen. Finanzminister Yoshihiko Noda versicherte, dass die Regierung die Entwicklung der Finanzmärkte "genau beobachten" wolle. Atsushi Saito, Chef der Börse in Tokio, versprach, der japanische Aktienhandel werde auch nach den katastrophalen Ereignissen in seinem Land weiter geführt.

An den anderen asiatischen und ozeanischen Börsen gab es nur leichte Verluste. Der Hang Seng in Hong Kong gab um 0,4 Prozent nach, der südkoreanische Kospi um 0,6 Prozent. Verluste gab es auch in Taiwan, Singapur, Australien und Neuseeland, während die Aktienkurse in Indonesien und Thailand sogar zulegten. Unverändert blieb der Börsenindex im chinesischen Shanghai.

Yen unter Druck, Ölpreise sinken

Nachdem der Yen nach dem Erdbeben in Japan vergangene Woche zugelegt hatte sank die japanische Währung in den Nachtstunden auf Montag. Von dem Rückfluss von im Ausland angelegten Geldern habe der Yen zunächst stark profitiert, heißt es in der Studie der Commerzbank. Nun seien aber einige belastende Faktoren hinzugekommen.

So pumpe die japanische Notenbank zusätzliche Liquidität in Milliardenhöhe in den Markt. Auch die Anleihenkäufe seien ausgeweitet worden. Dies belaste den Yen. Ein Euro kostete am Morgen 114,41 japanische Yen. Zwischenzeitlich waren nur noch 112,71 Yen zum Kauf eines Euro nötig gewesen. Vor dem Erdbeben hatte ein Euro 114,40 Yen gekostet.

"Die Katastrophe in Japan hat am Devisenmarkt nicht zu einer allgemeinen Flucht in Qualität geführt", heißt es in der Studie. Dies zeige, dass die ökonomischen Auswirkungen "wahrscheinlich berechtigter Weise" als lokal begrenzt angesehen würden.

Der Euro hat sich hingegen am Montag über der Marke von 1,39 US-Dollar eingependelt. Die europäische Gemeinschaftswährung kostete im frühen Handel 1,3936 US-Dollar. Der Dollar war damit 0,7175 Euro wert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitag auf 1,3773 (Donnerstag: 1,3817) Dollar festgesetzt. Die Ölpreise bleiben weiter unter Druck. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Morgen im asiatischen Handel 112,06 US-Dollar und damit 1,78 Dollar weniger als am Freitag. Ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) büßte 1,34 Dollar auf 99,82 Dollar ein. (red)