Trotz Schäden in zahllosen Produktionsanlagen blieben die größten Industrieregionen Japans von dem schweren Erdbeben weitgehend verschont. Das Land kann sich den Wiederaufbau nur schwer leisten, warnen Ökonomen.

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Wien/Tokio - Das Erdbeben vor der Küste und der folgende Tsunami haben auch die japanische Wirtschaft hart getroffen. Vor allem in der hauptbetroffenen Region rund um die Stadt Sendai mussten dutzende Großunternehmen ihre Zweigniederlassungen schließen. Allein Sony hat nach eigenen Angaben sechs Fabriken dichtgemacht. Auch Toyota, der weltgrößte Automobilhersteller, musste drei Produktionsstätten zusperren, Honda zwei, Nissan ist ebenfalls von Schließungen betroffen. Auch im Südosten des Landes meldeten Konzerne Schäden. Der Lastwagenhersteller Volvo AB musste sein japanisches Hauptwerk herunterfahren.

Die gute Nachricht für die Wirtschaft des Landes ist, dass die Region rund um Sendai nicht zu den Industriezentren Japans zählt. Das ist ein wesentlicher Unterschied zum verheerenden Erdbeben von 1995, als mit Kobe eines der großen Produktions- und Handelszentren voll getroffen wurde. Die jetzt am schwersten betroffenen Präfekturen Aomori, Akita und Iwate besitzen mit einem Anteil von etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nur ein geringes Gewicht an der gesamtwirtschaftlichen Leistung Japans, schrieb auch die deutsche Kommerzbank in einer Analyse.

Trotzdem droht das Beben die Probleme Japans zu verschärfen. Der Star-Volkswirt Nouriel Roubini meinte, die Katastrophe habe Japan zum "schlimmstmöglichen Zeitpunkt" erwischt. Dabei geht es weniger darum, dass die Produktion als Folge der Katastrophe zurückfällt (siehe Artikel unten). Allerdings kämpft Japan mit der höchsten Verschuldung (rund 200 Prozent der Wirtschaftsleistung) unter den westlichen Industrienationen. Das Defizit liegt bei rund zehn Prozent. Roubini deutete an, dass sich Japan die großflächigen Wiederaufbauprogramme nach dem Beben kaum leisten könne.

Japan kommt derzeit zwar an den Kapitalmärkten noch einigermaßen günstig an Geld. Ein großer Teil der Gläubiger sind Inländer, und die hohe Sparquote im Land schützt die Japaner vor spekulativen Attacken. Doch in den vergangenen Wochen haben sich die beunruhigenden Meldungen für Tokio gehäuft. Die Ratingagentur Standard & Poor's senkte die Bonität Japans Ende Jänner von "AA" auf "AA minus" herab. Die Agentur Moody's und der Internationale Währungsfonds (IWF) sprachen im Februar davon, dass Japans Schuldenberg nachhaltig nicht refinanzierbar sei.

Immobilienblase wirkt nach

Die Ursachen für die Misere sind vielfältig. Seit dem Platzen der japanischen Immobilien- und Aktienblase Ende der 1980er-Jahre stottert der Wachstumsmotor. "Japan hat die Krise lange vor sich hergeschleppt, die Banken nicht vollständig saniert und spürt die Folgen bis heute", meint Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Niedriges Wachstum und fehlende Investitionen haben zu einem sich hartnäckig haltenden Preisverfall im Land geführt. Die Deflation trat im Jahr 1995 auf und verstärkte sich als Folge der Wirtschaftskrise 2008.

Der Haushalt leidet aber nicht nur am schwachen Wachstum. Auch das Steueraufkommen im Land ist im Vergleich zu den USA und Deutschland extrem niedrig, meint der IWF. Vor allem die Mehrwertsteuer ist mit fünf Prozent extrem niedrig im internationalen Vergleich. Geholfen hat Japan in den vergangenen Monaten vor allem, dass die Exporte nach China stark angezogen haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.3.2011)