Hannes Kartnig hatte am zweiten Verhandlungstag alle Mühe, sein Temperament einigermaßen unter Kontrolle zu halten.

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Graz - Just jetzt, da er es so dringend bräuchte, verlässt es ihn immer wieder: das Gedächtnis. "Herr Rat, ich weiß es wirklich nimmer, san S' mir net bös", suchte Hannes Kartnig um Verständnis für periodisch aufgetretene Erinnerungslücken, als es am Freitag, dem zweiten Verhandlungstag, darum ging, vor Richter Karl Buchgraber die exakten Mechanismen der Manipulation mit den Eintrittskarten oder den Vorwurf des Förderungsbetruges zu erörtern.

Der ehemalige Präsident des Fußballvereins Sturm Graz, Hannes Kartnig, steht seit Donnerstag wegen des Vorwurfs des schweren Betrugs, der Abgabenhinterziehung und der betrügerischen Krida in Graz vor Gericht. Mit ihm sitzen weitere Vorstandsmitglieder auf der Anklagebank.

Die Sache mit den Kartenmanipulationen lief recht einfach und effektiv: Von den verkauften Eintrittskarten wurde ein Teil der einkassierten Gelder abgezweigt, womit Sturmspieler schwarz ausbezahlt wurden. Kartnig behauptet jetzt, er habe davon zwar gewusst, mit den Auszahlungen aber nichts zu tun gehabt. Wer es wie organisiert habe, wisse er nicht. Keine Ahnung. 2,4 Millionen Euro seien jedenfalls auf diese Weise zurückbehalten worden, sagt Staatsanwalt Johannes Winklhofer. Kartnig hat die Sache ohnehin nie ganz ernst genommen. Er sei immer davon ausgegangen, dass dieses Schwarzgeldsystem nicht auffliegen werde. Außerdem sei es durchaus Usus, dass Profivereine, wenn sie Geldprobleme hätten, bei der Finanz eine "gütige Lösung" bekämen. Kartnig ist in dieser Verhandlungsrunde unleidlich. Die ganzen Fragen gehen ihm mächtig auf die Nerven, in kurzen Sequenzen hat es den Anschein, er stehe kurz vor der Explosion. Dann geht er aufs Klo, kommt gesammelt zurück, ehe er wieder aufbraust und sich über den unfreundlichen Staatsanwalt beklagt: "Was man mir alles zuwibeutelt, ist abenteuerlich. Der Staatsanwalt hat was gegen mich." Er wisse einfach nicht, was so alles in seinem Verein vorgefallen sei.

Auf den Vorhalt, warum er, als Sturm schon pleite war, nicht alle im Verein gewarnt habe, kein Geld mehr auszugeben, dass aber selbst die Jugendteams noch ordentliche Auslagen hatten, bellt Kartnig zurück: "Ich weiß ja nicht ein- mal, wer der Jugendtrainer ist. Muss ein Präsident denn alles wissen?"

Luxustrip mit Hirschmann

Ganz dezente Hilfe bei der Füllung von Erinnerungslücken bot ihm dann der Richter bei der Aufarbeitung "privater Dinge" an.

Richter: "Sagt Ihnen das Hotel Trofana Royal in Ischgl etwas?
Kartnig: Ähhh?"
Richter: "Sie haben dort Kunden eingeladen."
Kartnig. "Ach ja, mit denen ich Geschäfte mache."
Richter: "Auch Politiker?"
Kartnig lachend: "Der Grasser war net dabei."
Richter: "Kennen Sie ihn?"
Kartnig: "Ja sicher, kenn ich den Karl Grasser. Ich hab ja damals interveniert bei ihm. Wenn es geklappt hätte - aber er hat nicht rechtzeitig zurückgerufen -, wäre Sturm net in Konkurs gegangen." Kartnig sagt, er habe damit gerechnet, dass ihm Grasser bei den Steuerschulden , die Sturm hatte, helfen werde.

Kartnig gibt dann zu, dass er den ehemaligen ÖVP-Politiker Gerhard Hirschmann nach Ischgl eingeladen hatte. Ins Trofana Royal. Ein Fünf-Sterne-Superior-Hotel, laut Prospekt ein "Tempel der Genüsse mit bestem Ruf, das beste Skihotel der Welt". Die beste Flasche Rotwein La Tâche Grand Cru aus dem Burgund gibt's hier um 3500 Euro. Für vier Personen zahlte Kartnig für ein verlängertes Wochenende rund 15.000 Euro. Kartnig: "Aber net unterstellen, dass Hirschmann uns deswegen Geld gegeben hat. Der Doktor Hirschmann ist ein Ehrenmann. Der nimmt nichts." Richter Buchgraber hatte zuvor darauf angespielt, dass Hirschmann als Sportlandesrat auch für die Förderungen von Sturm zuständig war.

Auf der Rechnung stand auch eine "Beautybehandlung" des ehemaligen VP-Politikers Hirschmann. "Blödsinn" sagt Kartnig, das sei nur wegen der Steuer angeführt gewesen. Kartnig wollte den Ausflug unter dem Titel "Anbahnung Hirschmann" von der Steuer absetzen. Erfolglos.

Pröll zu Gast bei Kartnig

Jene Hirschmanns ist nicht die einzige Politikereinladung. Kartnig zeigte sich auch der ehemaligen Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer und dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll sowie dem ehemaligen ORF-Sportchef Elmar Oberhauser gegenüber äußerst generös. Er lud sie alle zur Grazer Opernredoute samt Bewirtung ein. "Warum Pröll?", fragt der Richter. Kartnig: "Na ja, ich dachte, ich krieg dann Aufträge für die Wahl- und Tourismuswerbung." Ja, er habe alles bezahlt, von der Finanz sei das aber nicht anerkannt worden. (Walter Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.3.2011)