Aufrisszeichnung des unvollendeten Nordturmes von St. Stephan (1465, Reißfeder und Zirkel in schwarzer Tinte auf Pergament)

Foto: Wien Museum

Wien - Eine neue Ausstellung beleuchtet die Geburtsstunde eines der bedeutendsten Wahrzeichen der Bundeshauptstadt: Das Wien-Museum zeigt bis 21. August  anhand von Originalplänen aus dem Mittelalter die Baugeschichte des Stephansdoms. Neben 19 gotischen Zeichnungen präsentiert die Schau zudem 120 Exponate, darunter Urkunden, Fotografien, steinerne Architekturfragmente und Werkzeuge. Insgesamt sei mehr als 300 Jahre am kirchlichen Monument gebaut worden, erläuterte Museumsdirektor Wolfgang Kos am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Mit der Fertigstellung des rund 137 Meter hohen Südturms im Jahr 1433 stand in Wien für mehrere Jahrzehnte lang der höchste Turm Europas.

Von keinem anderen gotischen Dombau in Europa habe mit insgesamt 294 Zeichnungen eine derart große Zahl an Planrissen auf Pergament und Papier bis in die Gegenwart überlebt, freute sich Kos über die "Schätze von Weltrang", die in einer Auswahl nun im Erdgeschoß des Museums für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Titel der Ausstellung: "Der Dombau von St. Stephan. Die Originalpläne aus dem Mittelalter".

Baugeschichte, Umwelteinflüss, Originaldetails

Die detaillierten Pläne, nach denen Dombaumeister und Steinmetze arbeiteten, sind seit 2005 UNESCO-Weltkulturerbe. Unter den beeindruckendsten Dokumenten, die für Besucher zu sehen sind, ist ein fünf Meter hoher Aufriss des nie vollendeten Nordturms. Die Hunderte Jahre alten Skizzen sind für Gäste kaum entschlüsselbar, da sie mit einer speziellen Technik angefertigt wurden, die ihre Urheber selbst in einer zehnjährigen Ausbildung erlernen mussten. Zum besseren Verständnis dienen deshalb ergänzende Infografiken, Fotos, 3-D-Projektionen und Modelle.

Rund um die Papier- und Pergamentoriginale haben die Kuratorinnen Michaela Kronberger und Barbara Schedl zahlreiche andere Exponate gruppiert, die sich der Baugeschichte des Domes auf thematisch unterschiedliche Weise nähern. So werden etwa Umwelteinflüsse wie Pest, Heuschreckenplagen oder Brandkatastrophen im Hinblick auf die Baugeschichte kontextualisiert. In einem Rechnungsbuch aus dem 15. bzw. 16. Jahrhundert ist wiederum anhand wöchentlicher Eintragungen abzulesen, welche Arbeitsschritte von welchen Handwerkern für wie viel Geld gemacht wurden, erklärte Kronberger.

Gezeigt werden auch Originaldetails des Doms - etwa Fürstenfiguren, ein Wasserspeier der Westfassade oder ein gotisches Glasfenster aus dem Jahr 1340. Sie wurden im 19. Jahrhundert durch Kopien ersetzt und wanderten ins Museum. Alte Werkzeuge, mittelalterliche Darstellungen und eine - nicht nur für Kinder interessante - Spielbaustelle, auf der damalige Konstruktionstechniken ausprobiert werden können, sollen nachvollziehbar machen, welchen Aufwand die Realisierung eines Projekts von derartiger Dimensionen bedurfte. Die Herkunft des Baumaterials, die Finanzierung des Bauwerks und religiöse Vorstellungswelten der Menschen im Mittelalter sind ebenfalls Thema der Schau. (APA)