Gianmaria Testa & Mario Brunello am 27. April im Wiener Konzerthaus. Wegen der großen Nachfrage gibt es eine Zusatzvorstellung um 21.30 Uhr.

Foto: Marco Caselli Nirmal

Mit dem Italopop ist das so eine Sache. Ob man will oder nicht: Man kennt sie alle, die Ohrwürmer aus dem Süden, egal ob Azzurro, Bello e impossibile oder Adesso tu, weil man - in welchem Jahrzehnt auch immer - einfach damit aufwuchs. Aber damals fuhren wir auch noch nach Caorle oder Rimini in den Urlaub oder wurden von den Eltern mehr oder weniger freiwillig dort hingekarrt. Wem die italienischen Hits damals wirklich gefielen, war besser beraten, das für sich zu behalten. Weil "cool" war anders.

So nimmt es auch nicht wunder, dass sich unter den 1000 besten Songs, die von der Pop-Redaktion der Süddeutschen Zeitung aus dem globalen Liedgut von 1955 bis 2004 ausgewählt wurden, gerade einmal drei Promille auf Italienisch gesungen werden. Das sind umgekehrt drei Songs (Volare und zwei Lieder von Paolo Conte) in fünfzig Jahren. (Immerhin zwei mehr als aus Österreich.)

Von den brustbehaarten Süßholzrasplern à la Adriano Celentano, Toto Cutugno oder Eros Ramazzotti ist es musikalisch ein nicht immer ganz weiter Weg zu den Cantautori, den italienischen Liedermachern wie Lucio Dalla, Francesco De Gregori oder Fabrizio De André. Übrigens - die Schlagerfraktion und die Interpreten der Schlager für Fortgeschrittene haben ihr eigenes alljährliches Festival in San Remo, wo auch die meisten von ihnen ihre Karrieren starteten.

Gianmaria Testa ließ sich damit ziemlich lange Zeit. Sein Plattendebüt gab der Bauernsohn aus Piemont erst mit 36; das Gitarrespielen und Liederschreiben hatte er sich selbst beigebracht. Sein erstes Album, Montgolfières (1995), war dann gleich ein durchschlagender Erfolg - aber vor allem in Frankreich, wo Testa vor tausenden Leuten auftrat, während er in seiner Heimat so gut wie unbekannt blieb.

Sechs Platten später ist der Schnurrbartträger längst auch in seiner Heimat in der obersten Liga der Cantautori angekommen, neben Größen wie Paolo Conte, an dessen jazzigen Sprechgesang Testas erste Platten erinnerten. Trotz seines Erfolgs blieb er bis vor wenigen Jahren seinem eigentlichen Beruf treu und überwachte am Bahnhof des piemontesischen Kaffs Cuneo den Zugsverkehr.

War Testa zunächst als feinfühliger Poet in Gefühlsdingen bekannt, dessen sparsam-expressive Lyrik von den Gedichten Ungarettis oder den Skulpturen Giacomettis beeinflusst war, wurde er mit seinem vorletzten Album hingegen politisch: Da questa parte del mare ("Von dieser Seite des Meeres"; 2006) kreist ausschließlich um Themen wie Migration, Vertreibung oder etwa Fremdheit. Die politische Botschaft tat der hohen Qualität von Testas Musik indes keinen Abbruch: Neben einigen der besten Jazzmusiker Italiens wirkte auch der US-Gitarrist Bill Frisell mit.

Anders als viele seiner Kollegen entwickelt sich der Cantautore auch musikalisch immer noch weiter: Zuletzt gastierte er auch in Österreich mit umjubelten Duo-Konzerten mit dem Klarinettisten Gabriele Mirabassi oder dem Trompeter Paolo Fresu, zwei der besten Jazzer Europas. Demnächst tritt er mit dem Klassik-Cellisten Mario Brunello auf, der als erster Italiener den Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau gewonnen hat. (Klaus Taschwer / DER STANDARD, Printausgabe, 11.3.2011)