Politischer Aschermittwoch in Wien und Ried: Die Behindertensprecher Huainigg (ÖVP) und Jarmer (Grüne) im Parlament, FPÖ-Chef Strache in der Jahnturnhalle.

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Ried/Wien/Graz - Es ist der Fixpunkt im blauen Jahreskreis: der politische Aschermittwoch in Ried im Innkreis. Zwischen Heringsschmaus, Blasmusik und Bierdunst servierte die FPÖ-Spitze auch heuer wieder den gut 2000 Getreuen deftige Schenkelklopfer.

Neben dem Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf und dem oberösterreichischen Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner oblag es in der Jahnturnhalle vor allem Parteichef Heinz-Christian Strache, mit politischen Mitbewerbern abzurechnen.

Als "nächster Bundeskanzler von Österreich" ließ sich der in Lederhose angetretene Strache dem reflexartig von den Sesseln aufspringendem Publikum beim Einmarsch ankündigen, um dem echten Regierungschef dann ausreichend Aufmerksamkeit zu widmen. "Ein reines Kunstprodukt" , sei Faymann, "ein Krone-Kurier-Frankenstein" , wetterte Strache: "Er ist das Ergebnis von jahrzehntelanger politischer Inzucht."

"Wir stellen gemeinsam mit euch den Führungsanspruch" , rief der FPÖ-Frontmann in die Halle und widmete sich dem allseits erwarteten Rundumschlag gegen den ORF, "linke Gutmenschen" (" Heute wird man schon verurteilt, wenn man Grüß Gott sagt" ) und die Regierung. Letztere verdiene kein Gehalt, sondern ein Pfand, sprach Strache: "Weil sie solche Flaschen sind."

Schauplatzwechsel. Um dem freiheitlichen Treiben in Ried etwas entgegenzusetzen, luden die Behindertensprecher von Schwarz und Grün, Franz Joseph Huainigg und Helene Jarmer, im Parlament zu einem Aschermittwoch der selbstironischen Art - mit Aspirin, Katerfrühstück und der Bundeshymne, vorgetragen von einem Kinderchor in Gebärdensprache.

"Strache wäre am liebsten, die Ausländer sind weg" , witzelte Huainigg in seiner Rede, "dann könnte sich Österreich ausdehnen und ausdehnen - und wir könnten endlich auch Urlaub im Ausland machen - ohne diese störenden Ausländer." Spontanapplaus von den Gästen, darunter ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf und die grüne Klubobfrau Eva Glawischnig.

Jarmer wiederum unterhielt das Publikum mit Anekdoten aus ihrem Arbeitsalltag, um zu zeigen, wie viele Missverständnisse im Umgang mit Gehandicapten auftreten. Als etwa Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) im Plenum erklärte, er sei ja nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen, habe sich ein Abgeordnetenkollege gleich erkundigt, ob sie, Jarmer, den Spruch überhaupt verstanden habe. Die gehörlose Grüne zur allgemeinen Aufklärung: "Alles kann man in die Gebärdensprache übersetzen. Von den Gebärdendolmetschern wird selbst jeder Zwischenruf, jedes Gelächter und Telefonläuten oder auch Rülpser übersetzt."

Leitls Todsünden

Kritik an der Behindertenpolitik gab es von Huainigg und Jarmer freilich auch. Beide hielten etwa fest, dass Behinderte hierzulande nicht als Lehrer ausgebildet werden dürfen, obwohl es völlig unverständlich sei, warum Rollstuhlfahrer oder Blinde nicht unterrichten können sollten. Jarmer fasste die Forderung des alternativen Aschermittwochs im Hohen Haus so zusammen: "Wir wollen keine Almosen, sondern Rechte!"

Und noch jemand schwang sich zu einer Aschermittwochrede auf. In Graz holte Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl im Brauhaus Puntigam gegen die sieben Todsünden in der Politik aus. Gegen Steuererhöhungen etwa oder das zögerliche Forcieren von Bildung. Leitl: "Liebe Bundesregierung, ehrlich gesagt, wir haben uns auseinandergelebt!" Die Wirtschaft zahle Steuern, schaffe Jobs, bilde aus. Die Aufgabe der Politik sei es, für weniger Bürokratie und keine weiteren Steuern- oder Lohnnebenkostenerhöhungen zu sorgen. Dazu sprach er sich für eine Art Umwidmung von Hacklerregelungsmitteln für ein Aufholen in Forschungsbelangen aus.

Leitl machte sich auch über die Sorgen hierzulande lustig: "Was hat Österreich aufgeregt in den vergangenen Wochen? Dass bei Dancing Stars zwei Mannsbilder tanzen und - Ruby. Da muss ich nichts erklären - außer dass der Lugner fürs Schauen mehr bezahlt hat als der Berlusconi fürs Tun." (Markus Rohrhofer, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 10.3.2011)