Räumt ein, dass es keine Win-win-Situtation war, dass er seinen Parteifreund Edmund Entacher seines Postens enthoben hat: Minister Norbert Darabos.

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STANDARD: Herr Minister, wären Sie ein guter Soldat?

Darabos: Wie ganz Österreich weiß, habe ich mich vor 23 Jahren für den Zivildienst entschieden. Aber die nötige Disziplin, Hartnäckigkeit und Durchhaltefähigkeit würde ich schon mitbringen.

STANDARD: Und den nötigen Gehorsam, wie Sie als Minister gegenüber der eigenen Partei beweisen. Halten Sie das für eine Tugend?

Darabos: Von blindem Gehorsam kann keine Rede sein. Es stimmt, in der Frage der Wehrpflicht ...

STANDARD: ... die Sie vor einem Jahr "in Stein gemeißelt" nannten ...

Darabos: ... habe ich meine Meinung geändert, allerdings auf Basis von Fakten. Das kann ich jederzeit sachlich begründen.

STANDARD: Die einzigen "Fakten", die sich geändert haben, waren eine Kampagne der "Kronen Zeitung" und der Schwenk der SPÖ-Spitze.

Darabos: Das ist nicht richtig. Staaten wie Deutschland oder auch Schweden haben ihre Systeme umgestellt und gezeigt, dass sich ein System ohne Zwang etablieren lässt. Das war die Richtschnur meines Handelns - und nicht die Kampagne einer Zeitung.

STANDARD: Der von Ihnen abgesetzte Generalstabschef Edmund Entacher war anderer Meinung.

Darabos: In der Debatte wird etwas vernebelt: Entacher war der Erste, der mir das Modell eines Berufsheeres mit starker Miliz vorgeschlagen hat. Insofern ist es verblüffend, dass er öffentlich anders argumentiert. Das war der Grund für den Vertrauensverlust.

STANDARD: Öffentlich hat Entacher immer die Wehrpflicht vertreten.

Darabos: Intern hat er mir bereits im Herbst 2010 das andere Modell vorgeschlagen - und dann muss ich erwarten können, dass er dazu steht. Es muss in einer Demokratie auch möglich sein, einen Beamten mangels Vertrauens in eine andere Funktion zu versetzen. Alles andere wäre wahnwitzig.

STANDARD: Haben Sie damit nicht erst recht alles Vertrauen verspielt?

Darabos: Ich hatte keine Alternative. Hätte ich Entacher nicht abgelöst, wäre mir zu Recht vorgeworfen worden, ich habe das Haus nicht im Griff. Eines muss aber gesagt werden: Jene, die Entacher Krokodilstränen nachweinen, haben ihn vor meiner Zeit selbst abgeschossen. Unter Schwarz-Blau hockte der frühere Kommandant der Landstreitkräfte als Milizbeauftragter in einem zwei mal drei Meter großen Kammerl.

STANDARD: Bieten Sie ihm denn einen adäquaten Ersatzposten an?

Darabos: Das hängt davon ab, ob eine solche Stelle vakant ist. Bis 24. März bekommt Entacher erst einmal seinen Bescheid. Ich verwende ihn jetzt in einer anderen Position - ohne Einbußen bei seinen Bezügen. Deshalb ist das auch kein Mobbing. Würde ich ihn als weißen Elefanten durchs Haus schicken, könnte man mir das mit viel mehr Recht vorwerfen. Aber ich sehe schon ein: Eine Win-Win-Situation ist das nicht.

STANDARD: Ist es klug, wenn Koalitionspartner zur Volksbefragung gegeneinander antreten?

Darabos: Man kann nicht immer beklagen, dass sich die Regierung zu weit von den Menschen entferne, aber das Volk nie einbeziehen. Das ist kein W. o. der Politik.

STANDARD: Aber möglicherweise das K. o. für die Koalition.

Darabos: Ich halte das Thema für nicht so sprengstoffbeladen. Man muss erhobenen Hauptes in die inhaltliche Auseinandersetzung gehen.

STANDARD: Wo könnten SPÖ und ÖVP einander entgegenkommen?

Darabos: Ich hoffe auf sachliche Gespräche, aber leider sehe ich derzeit nur geringe Chancen auf einen gemeinsamen Nenner. Deshalb gehe ich davon aus, dass diese Volksbefragung kommt. Ich will ein Heer mit gleichen Kosten und Leistung, aber ohne Wehrpflicht. Die ÖVP hingegen präferiert den Status quo mit kosmetischen Korrekturen. Da kann es nur schwer einen Kompromiss geben.

STANDARD: Wann wird die Wehrpflicht fallen?

Darabos: Wenn es eine Mehrheit für mein Modell gibt, dann könnte das 2012 oder 2013 sein.

STANDARD: Und die Neutralität?

Darabos: Hoffentlich nie.

STANDARD: Weil diese in Stein gemeißelt ist?

Darabos: Sie ist gut für Österreich, da bin ich sehr konservativ. Ohne Neutralität wären wir möglicherweise für Jahrzehnte Mitglied des Warschauer Paktes gewesen ...

STANDARD: ... der längst Geschichte ist. Wäre es kein logischer Schritt der europäischen Integration, etwa auch bei der Luftraumverteidigung zu kooperieren und die Restneutralität ad acta zu legen?

Darabos: Unser Beitrag in der EU hindert uns nicht, die Neutralität auszuleben. Anders als Slowenien, das seinen Luftraum von Italien überwachen lässt, müssen wir unser Territorium selbst schützen. Auch bei Einsätzen der EU-Battlegroups gibt es keinen Automatismus. Zwar enthält der Lissabonner Vertrag eine Solidaritäts- und Beistandsklausel, lässt aber neutrale Staaten autonom entscheiden, ob sie mitmachen.

STANDARD: Ist es realistisch, dass Österreich Nein sagt, wenn 26 EU-Staaten für den Einsatz sind?

Darabos: Ja. Wir würden uns nicht auf eine Seite schlagen, wenn es einen Konflikt zwischen zwei Staaten gibt. Die Nato versucht natürlich, europäische Nationen auf ihren Kurs zu bringen. Aber letztlich wird respektiert, wenn Staaten neutral oder bündnisfrei sind.

STANDARD: Würden sich österreichische Truppen an einem Einsatz in Libyen beteiligen?

Darabos: Unsere Soldaten könnten sich beteiligen, wenn es um Krisenreaktion geht, also etwa um die Evakuierung von EU-Bürgern. Aber nicht, wenn es darum geht, sich in einen unübersichtlichen Bürgerkrieg einzumengen.

STANDARD: Tatsächlich würde es bei einem solchen Einsatz um europäische Interessen, etwa an libyschem Erdöl, gehen. Soll sich Österreich da an den Rand stellen?

Darabos: Interesse an Bodenschätzen darf keine Grundlage für ein EU-Mandat und schon gar nicht für einen österreichischen Einsatz sein. Aber das ist ein theoretischer Fall. Die EU ist selbst zur Auffassung gekommen, keine Soldaten nach Libyen zu schicken.

STANDARD: In der Sicherheitsdoktrin hätte es Zielvorgaben geben sollen. Warum fehlen diese?

Darabos: Wir haben entschieden, die Ausformulierung dem Parlament zu überlassen. Ich habe aber klare Vorstellungen. Im neuen Modell sollen für den Katastrophenschutz 10.000 Soldaten bereitstehen und mindestens 1000 Soldaten für Auslandseinsätze.

STANDARD: Sie glauben, in der Wehrpflichtdebatte Glaubwürdigkeit gewonnen zu haben. Warum haben Politiker immer den Drang, sich als unfehlbar darzustellen?

Darabos: Ich evaluiere schon, was ich tue, und wandle nicht wie die Herren Grasser oder Guttenberg ohne Selbstkritik durchs Leben. Mir ist klar, dass mir die Causa nicht nützt. Auch auf die Gefahr hin, dass es larmoyant klingt: Ich finde nichts, was ich mir persönlich vorwerfen lassen muss, deshalb sehe ich meine Reputation nicht gefährdet. Ich habe mich weder dem Verdacht ausgesetzt, Freunderl bevorzugt, noch eine Doktorarbeit gefälscht zu haben. (Gerald John, Conrad Seidl/STANDARD-Printausgabe, 9.3.2011)