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Rapid-Spieler vor dem Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen Schalke 1941 in Berlin.

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Rapid-Stürmer Franz Binder gibt Autogramme: Auch der junge Ernst Happel (3. von li.), später selbst eine Fußball-Legende, stellt sich an.

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Wien - Drei zu null hinten gelegen und dann noch vier zu drei gewonnen. Drei Tore von Stürmerlegende Franz "Bimbo" Binder! Das Berliner Finale der "Großdeutschen Meisterschaft" am 22. Juni 1941 gegen Schalke 04 ist tief verankert im kollektiven Gedächtnis des SC Rapid. Um diesen Sieg in den Zeiten des Krieges - am Morgen des Finalsonntags überfiel Nazideutschland die Sowjetunion - ranken sich allerlei Geschichten. Der Triumph gegen einen Klub aus dem "Altreich" wird mitunter gar zu einem Akt des politischen Widerstands gegen den "Anschluss" verklärt. Zur "Bestrafung" seien viele Rapidspieler an die Ostfront geschickt worden. Stimmt das? Wie hielten es die Grün-Weißen mit den Nazis?

Kritische Nachfragen anlässlich des Freundschaftsspiels gegen Schalke 04 im Juli 2009 veranlassten den Rapid-Vorstand, die Klubgeschichte der Jahre 1938-1945 untersuchen zu lassen. Am Dienstag wurde das Buch Grün-Weiß unterm Hakenkreuz. Der Sportklub Rapid im Nationalsozialismus (1938-1945) in Wien vorgestellt.

Die beiden Politikwissenschafter Jakob Rosenberg und Georg Spitaler, ihres Zeichens langjährige Mitarbeiter des Fußballmagazins Ballesterer, haben eine sehr ausgewogene, im besten Sinne nüchterne und historisch informierte Arbeit vorgelegt. Zu ihren wichtigsten Ergebnissen zählt, dass es vor allem in der Frühphase des 1899 gegründeten Klubs eine ganze Reihe von jüdischen Spielern und Funktionären gab. Dazu zählten etwa der Namensgeber von Rapid, Wilhelm Goldschmidt und der linke Flügelstürmer Fritz Dünmann. Beide wurden später von den Nazis ermordet.

Dass sich Rapid, zumal nach dem "Anschluss" von 1938, gerne als "bodenständiger" Arbeiterklub gerierte, ist wohl nicht zuletzt politischem Opportunismus zuzuschreiben. Das "Kämpferische" passte ja genau zur NS-Volksideologie. Die Grün-Weißen betonten nun, "immer arisch" gewesen zu sein, wohl auch, um sich von anderen Wiener Klubs abzugrenzen, wie etwa der Austria, die oft als "großbürgerlich" oder "jüdisch" bezeichnet wurde.

Neun von 18 Rapid-Funktionären wurden zwischen 1938 und 1940 NSDAP-Mitglieder oder stellten zumindest einen Aufnahmeantrag - eine vergleichsweise hohe Quote. Hingegen war wohl kein aktiver Rapid-Spieler Parteimitglied. Der Verein agierte politisch sehr geschickt und verschaffte sich Fürsprecher im nun braunen Rathaus von Wien, wie etwa Thomas Kozich, Vizebürgermeister und Sportgauführer Wiens. Bereits 1938 machte man den SS-Oberführer und Polizeipräsidenten von Wien, Otto Steinhäusl, zum Ehrenmitglied.

Angesichts dieses direkten politischen Drahtes verwundert es nicht, dass Rosenberg und Spitaler keinerlei Belege für die "Bestrafungsthese" nach dem Sieg gegen Schalke fanden, im Gegenteil. Anders als andere Wiener Vereine waren viele Rapid-Spieler bis im Frühjahr 1941 noch gar nicht eingezogen worden, was in Berlin für Unmut sorgte. Dass nach dem Gewinn der "Großdeutschen Meisterschaft" im Juni 1941 viele Rapidler die Uniform anziehen mussten, ist richtig, trifft aber auch für viele andere Vereine gerade im "Altreich" zu. Und dank bester Kontakte zur NS-Politik gelang es zunächst, für viele Spieler eine Stationierung in Wiener Kasernen oder zumindest häufige Heimaturlaube zu erwirken, zumindest bis zur zunehmenden Verschlechterung der Kriegssituation 1943.

Lokalpatriotismus 

Zwar gab es Spannungen zwischen "Altreich" und "Ostmark" auch auf dem grünen Rasen, aber die Situation war weit komplexer als die simple Opposition von "deutsch" und "österreichisch", wie Rosenberg und Spitaler zeigen. So sind viele Artikel der Wiener Presse von "Lokalpatriotismus" geprägt, wenn über Spiele zwischen Rapid und Mannschaften aus dem "Altreich" berichtet wird. Immer wieder wurde auch über das richtige Spielsystem debattiert: Deutsche Vereinsmannschaften spielten mittlerweile das defensivere "WM-System", während Wiener Teams nach wie vor auf das offensivere sogenannte "Mittelläufer-System" setzten. Dabei drehten die österreichischen Medien den Spieß gewissermaßen um: Das aus England stammende "WM-System" wurde als "undeutsch" denunziert, das eigene "Mittelläufer-System" hingegen als genuin "nationalsozialistisch" etikettiert. Somit wird deutlich, dass der Rapid-Sieg vom Juni 1941 erst im Nachhinein in einen Triumph des "kleinen" Österreichs gegen den vermeintlich übermächtigen deutschen Gegner umgeschrieben wurde, in ein Córdoba avant la lettre.

Der Sport, das zeigt auch diese Fallstudie, wurde von den Nazis benutzt, etwa um im Kriege den Schein der Normalität zu wahren. Der Verein - und Rapid ist da nur ein Beispiel - nutzte dies wiederum, um etwa Vergünstigungen für die Spieler zu erwirken, etwa Pseudoarbeitsstellen (mit dem "Anschluss" wurde der Professionalismus abgeschafft). Nach 1945 verdrängte man, beschönigte und stilisierte sich zum Opfer oder gar zum geheimen Hort des Widerstands.

Einen Fall wie jenen des damaligen Austria-Stars Matthias Sindelar, also die Verwicklung von Spielern in "Arisierungen" jüdischen Eigentums, gab es bei Rapid übrigens nicht. Dafür trug ein 1948 als Kriegsverbrecher verurteilter Spieler grün-weiß. Fritz Durlach hatte andere Fußballspieler brutal gefoltert, um ihnen das Geständnis abzupressen, sich selbst verstümmelt zu haben, um dem Fronteinsatz zu entgehen. (Oliver Hochadel; DER STANDARD Printausgabe 9. März 2011)