Wien/Linz - Google kann unbarmherzig sein. Nein, die Rede ist nicht vom Aufdecken plagiierter Stellen, sondern von der Platzierung einschlägiger Anzeigen. Nun gibt es seit Sonntag endlich auch für Österreich ein spezielles Wiki, das die kollektive Plagiatsaufklärung nach deutschem Vorbild aufnehmen soll. Und welche Anzeigen vermittelt Google? Die von "Hilfeleistern" bei Diplomarbeiten und Dissertationen.
Die neu gegründete "Initiative Transparente Wissenschaft", die vom Medienwissenschafter und Plagiatsjäger Stefan Weber, dem Linzer Wissenschaftsforscher Gerhard Fröhlich und dem Wiener Philosophen Herbert Hrachovec ausgeht, stellt aber auch ganz konkrete Forderungen an Wissenschaftsministerin Beatrix Karl.
So sollen insbesondere die Abschlussarbeiten von EU-Kommissar Johannes Hahn (dessen Dissertation wurde inzwischen auf de.plagipedi.wikia.com veröffentlicht) und Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser noch einmal transparent überprüft werden. Auch dem Fall der nach Ansicht der Initiatoren "teilplagiierten Habilitationsschrift" von Hubert Biedermann, Vize-Rektor der Montanuniversität Leoben, müsse noch einmal nachgegangen werden.
Die Plattform wolle damit "die ehrlich arbeitenden österreichischen Studierenden" schützen, der Wert wissenschaftlicher Abschlussarbeiten sei durch die Plagiatsdebatte im Moment gefährdet. Die Initiative zielt mit ihrer Aktion indes nicht nur auf den "Schutz des Wissenschaftsstandortes Österreich". Sie will auch eine Debatte über die Kriterien für wissenschaftliche Abschlussarbeiten anregen. Das Doktoratsstudium solle etwa ausschließlich jenen vorbehalten sein, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben.
Postwendend reagierte die neue Leitung der Uni Wien auf die Kritik an der Dissertation von Ex-Wissenschaftsminister Johannes Hahn. Neo-Rektor Heinz Engl räumte ein, dass es bei der erstmaligen Diskussion das Problem gab, dass Hahn gleichzeitig auch Aufsichtsbehörde der Uni Wien war. Deshalb habe man die Überprüfung der Arbeit an die Uni Zürich ausgelagert, wo indes kein Fehlverhalten entdeckt worden sei.
Auch Wissenschaftsministerin Karl reagierte, und zwar mit der Einrichtung einer Anti-Plagiats-Arbeitsgruppe. Am Montagnachmittag gab es eine erste Bestandsaufnahme" mit Vertretern von Universitäten, Fachhochschulen, Privatuniversitäten und der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität (ÖAWI).
Die deutsche Justiz hat in der Zwischenzeit das Ermittlungsverfahren gegen Ex-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg eingeleitet. Mittlerweile liegen über 100 Strafanzeigen in Zusammenhang mit den Plagiatsvorwürfen vor, bestätigte der zuständige Oberstaatsanwalt. (APA, tasch, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. März 2011)