Nun ist sie also da, die Trendwende. Oder besser gesagt die Trendwenden. Denn nicht nur, dass die Zentralbankpolitik in Europa offenbar auf einen strafferen Weg eingeschwenkt ist, auch sind einige Trends an den Kapitalmärkten zusammengebrochen. Die Inflation ist zurück, und sie rüttelt an der Aktienrallye, die in Industrienationen in den letzten zwei Jahre gelaufen ist und in Schwellenländern die letzten zehn.
Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), hat mit seiner Ankündigung der „strong vigilance“, der „großen Wachsamkeit“, die Märkte in helle Aufregung versetzt (EZB). Der Euro wertete gegen den Dollar auf über 1,4 auf, Aktien- und Kreditmärkte schwankten kräftig, und die Zinsen auf langfristige Staatsanleihen sind ebenso gestiegen.
Mit der Rhetorik eines Zentralbankers ist das so eine Sache. Wenn die geldpolitischen Gremien von EZB oder Federal Reserve einmal im Monat zusammenkommen, wird an der Aussendung bis ins kleinste Detail gefeilt. Während die EZB bislang versprach die Inflation „zu beobachten“, ist sie jetzt einen Schritt weiter gegangen und bei der Wachsamkeit angekommen. Für Ökonomen ein klares Zeichen für eine direkt bevorstehende Zinserhöhung im April (WSJ: Source).
Doch der aktuelle Zyklus der geldpolitischen Straffung verläuft in Europa anders als sonst üblich. Denn während die Wachstumslokomotive Deutschland durchaus einen Fuß auf der Zinsbremse vertragen könnte, hinken Griechenland und Co. noch deutlich hinterher. Ökonomen der Schweizer Credit Suisse haben anhand der Taylor-Regel aufgezeigt, dass die EZB derzeit schwerste Probleme hat, für die Eurozone einen angemessenen Zinssatz festzulegen. Für Deutschland läge er bei knapp 4,5 Prozent, für die Peripherie in Europa bei minus 4,6 Prozent (FTAlphaville). Kein Wunder also, dass die EZB etwa die Liquiditätsstützen für die Banken (hauptsächlich aus den PIGS-Staaten) weiterhin aufrecht hält.
Der Schritt der EZB zur ersten Zinserhöhung zeigt aber auch, wie einsam und allein ihr US-Counterpart, die Federal Reserve, weiterhin aufs monetäre Gaspedal tritt. Bis Sommer wird die Fed noch ihr 600 Milliarden Dollar schweres Anleihenkaufprogramm QE2 verlängern. Und diese monetäre Inflation spüren auch Volkswirtschaften anderswo, in Form höherer Rohstoffpreise. Zu diesem Thema hat sich Ben Bernanke jüngst herzhaft gewehrt (Federal Reserve), Notenbanken in den Schwellenländern seien für die Inflation in Schwellenländern verantwortlich, nicht aber die Fed. Doch Inflation bei Nahrungs- und Energiepreisen ist mittlerweile Realität, egal ob von der Fed angeheizt oder nicht.
Inflation ändert die Spielregeln
Dabei hat die Teuerung nicht nur die Notenbanken zum Handeln gezwungen, sondern auch Investoren. Sie ziehen ihr Geld aus jenen Ländern ab, die mit hohen Teuerungsraten zu kämpfen haben. Aus Schwellenländern sind in den vergangenen Wochen 21 Milliarden US-Dollar an Kapital abgeflossen. Tatsächlich sind in den vergangenen Wochen einige zentrale Zusammenhänge an den Kapitalmärkten zusammengebrochen. Nicht nur die Aktienmärkte von Schwellenländern und Industrienationen haben sich voneinander gelöst, denn in Europa und Amerika sind die Aktienmärkte deutlich besser ins neue Jahr gestartet.
Auch haben sich Rohstoffpreise und Aktienmärkte etwas abgekoppelt. Besonders markant ist dabei die Rolle von Öl. Die Korrelation zwischen dem schwarzen Gold und Aktien hat sich stark umgekehrt (siehe Grafik von Bespoke). Höhere Ölpreise werden jetzt ganz klar als Bremse für die Unternehmensgewinne gesehen, erhöhen sie doch einerseits die Inputkosten und zwingen andererseits die Notenbanken zum Handeln, was auch die Finanzierungsmöglichkeiten einschränkt. Steigende Rohstoffpreise UND steigende Aktien? Derzeit nicht denkbar, aber in der Nachkrisen-Rallye von 2009 und 2010 Usus.
Bernanke’s Verteidigung der Fed-Politik - Federal Reserve
Eine unschöne Trennung – Bespoke
Das ist keine normale Straffung der EZB - FTAlphaville
Trichets jüngstes geldpolitisches Statement – EZB
Trichet: Wachsamkeit, beobachten et cetera - WSJ Source
Sie können die Marktmelange auch über Twitter oder Facebook verfolgen. Den RSS-Feed gibt es hier.