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Anreise zum Beispiel mit der ÖBB

Informationen: Tschechien Tourismus

Foto: APA

Restaurant: U Pinkasu

Foto: Restaurant U Pinkasu

Unterkunft: aquapalace Hotel

Foto: aquapalace Hotel

Kultur gibt's im Nationaltheater und in der Nationalgalerie.

Foto: Nationaltheater Prag

Die morgendliche Ruhe vermischt sich mit Chlorgeruch. Vereinzelte Gestalten gleiten ins Wasser und ziehen einsame Runden. Der Whirlpool lässt Körper leicht auf und nieder wiegen. Hinter einem erhöhten Glasvorbau beobachtet die Bademeisterin das Geschehen, sie wartet auf die in Kürze eintreffenden Kinder, die sich kreischend die Rutsche hinabstürzen oder wellenreitend durch den Wildwasserkanal pflügen wer-den. Eine charmant-biedere Ausstrahlung vermittelt die bunte Schwimmhalle, auch wenn der riesige Aquaparkkomplex, zu dem noch ein großer Sauna-, Spa- und Fitness-Bereich gehören, erst 2008 den Bade-Stadt-Tourismus ins Prager Umland holte.

Hier, 15 Kilometer vom Zentrum der tschechischen Hauptstadt entfernt, steht inmitten eines Gewerbegebietes und vorstädtischer Plattenbauten das in den Farben des Wassers herausgeputzte Aquapalace-Hotel mit direkter Verbindung zum Erlebniswasserpark. In der Kombination von Familienurlaub und Businessaufenthalten will das Viersternehaus punkten. Wenn sich am Morgen die illustre Gästeschar, darunter viele Österreicher, zum reichhaltigen Frühstücksbuffet begibt, dann wirkt der aufgestylte Speisesaal wie eine betriebsame Bahnhofshalle.

Natürlich ist die Lage des Hotels vor den Toren der Großstadt nicht zufällig gewählt. So werden Wellness-Kurztrip-Menschen auch gleich zur Stadtbesichtigung eingeladen. Wer also nach vormittäglichem Badespaß der aufgeweichten Haut etwas Kultur gönnen möchte, gelangt praktischerweise mit einem Gratis-Shuttle-Bus zur nächsten U-Bahn-Station. Und das ist ratsam, da die Fahrt über die Autobahn, die sich dank kommunistischer Planung mitten durch die Stadt zieht, mit keinerlei optischen Highlights überrascht und dann: Stau. Mit Wien verbinden Prag nicht nur historische und kulinarische Gemeinsamkeiten, hier wie dort wird über Parkplatznöte geklagt.

Am Altstädter Ring peitschen die Minusgrade ins Gesicht. Selig sind die, die eine Mütze tragen. Vergeblich wirbt der Fremdenführer für eine Seightseeing-Tour. Eine Touristengruppe überquert den Platz, begleitet von Nebelfahnen ihrer Atemluft. Blaue Finger am Knopf der Kameras, ein Foto der barocken Nikolauskirche darf nicht fehlen. Kalt und klar ist die Luft Ende Februar, aber die Sonne erweist sich als gnädig. Nur: Sie ist noch schwach. Wer eine sonnige Stelle sieht, eilt dorthin. Vor der astronomischen Uhr gibt es eine gefakte Hochzeit für Werbezwecke zu begaffen, die Braut im schulterfreien Kleid versucht, unverkrampft zu lächeln. Für einen Augenblick drängt sich der Gedanke an den warme Whirlpool auf. Sauna statt Altstadtschlendern.

Nein. Für Prag kann es nicht kalt genug sein. Wer sich erst einmal in den verwinkelten, schmalen Gassen verloren hat, dem bleibt keine Zeit zum Frieren. Für ein schnelles Aufwärmen huscht man in eines der vielen kleinen Antiquariate, in denen hundertjähriger Bücherstaub weht. In der hinteren Ecke sitzt der Buchhändler. Er nickt, sagt kein Wort. Draußen rattern Autos über die Pflastersteinstraßen der Judenstadt. Synagogen und mit Stuck versehene Zinshäuser prägen das liebreizende Flair, das nur durch grelle und nervenaufreibende Souvenirshops zerstört wird, aus denen Eros Ramazzotti donnert. Allein, er kann nichts für die Zwangsbeschallung.

Etwas weiter weg steht eine Gruppe Jugendlicher vor einem Kaffeehaus und raucht. Langsam legt sich der Abend über die lebensfrohe Stadt an der Moldau. Kultur steht heute noch auf dem Programm, zuerst Oper, dann Bier. Niemand denkt jetzt noch an Wellness.

Im Ständetheater, einem der drei Prager Opernhäuser, weht Wind. Erzeugt wird er von einem riesigen Tuch, das während der luftigen Inszenierung von Mozarts Zauberflöte auf und nieder saust. Kuschelig warm wird es also auch im mattgrünen Altstadthaus nicht, in dem Mozart persönlich die Uraufführung seines Don Giovanni dirigierte. Der geforderte Dresscode erweist sich schnell als unhaltbar. Unter das bürgerlich-kunstsinnige Publikum mischen sich jüngere Semester in Jeans und, ja, in Trainingshosen auch. (Sebastian Gilli/DER STANDARD/Printausgabe/05.03.2011)