Wien - Für Firmen sind es hochinteressante Informationen: Zahlt ein Kunde immer pünktlich oder gab es bei ihm bereits Pfändungen und Zwangsvollstreckungen? Zu bekommen sind diese Infos allerdings nicht leicht. Bescheid weiß nur die Justiz, die Betroffenen selbst und jene Firmen, die in der Vergangenheit bereits mit Zahlungsproblemen dieser Kunden zu kämpfen hatten.

Der Wiener Wirtschaftsauskunftsdienst Kreditinform steht nun im Verdacht, sich Daten unrechtmäßig beschafft zu haben, indem Justizbeamte bestochen wurden. In der Korruptionsstaatsanwaltschaft bestätigte man am Donnerstag auf Anfrage des Standard einen Bericht der Schweizer Zeitung Tagesanzeiger, wonach seit Herbst 2010, nach einer Anzeige, Ermittlungen laufen. Man prüfe, ob Amtsmissbrauch begangen wurde, erklärte ein Sprecher. Auch Hausdurchsuchungen hätten bereits stattgefunden, Beweismittel seien sichergestellt worden.

"Nichts Illegales getan"

Bei Kreditinform war am Donnerstag niemand zu erreichen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Geprüft wird laut Staatsanwaltschaft aber auch, ob das Verfahren auf Verantwortliche einer zweiten Auskunftei, der Deltavista GmbH, ausgeweitet wird. Sie ist ein Ableger des Zürcher Mutterunternehmens Deltavista. Auch bei der Österreich-Tochter wurden bereits Beweismittel sichergestellt. Bei Deltavista betont man, "nichts Illegales" getan zu haben. Die Kreditinform sei lediglich ein Geschäftspartner, von dem man Daten zugekauft habe. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe man sich "ausdrücklich vom Vorgehen des Unternehmens Kreditinform distanziert", die Geschäftsbeziehungen seien eingestellt worden. Mit den Behörden werden voll kooperiert.

Bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft heißt es, man stehe "mitten im Erhebungsstadium". Im Justizministerium hat man allerdings bereits die ersten Konsequenzen gezogen. Gegen 23 Beamte wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, der Großteil der Betroffenen wurde suspendiert, sagte ein Sprecher von Ministerin Claudia Bandion-Ortner zum Standard. "Wir dulden keine schwarzen Schafe." Richter oder Staatsanwälte sollen nicht unter den Beschuldigten sein.

Wegen der laufenden Ermittlungen wird nun auch der Zugang zum Exekutionsregister überarbeitet. Bisher konnten alle Justizbediensteten frei darauf zugreifen, es mussten keine näheren Informationen angegeben werden, warum man Daten abfragen wollte. Aufzeichnungen über Abfragen gab es zwar schon bisher, nähere Auswertungen, welcher Beamte wann und wie viele Daten abrief, wurden aber nicht durchgeführt. Vor 2009 hatten auch Anwälte und Notare Zugriff auf das System.

Nun soll das Computersystem dahingehend umgestellt werden, dass vor jeder Abfrage schriftlich eingegeben werden muss, warum eine Abfrage stattfindet und für welches Verfahren sie verwendet werden soll. "Damit soll sichergestellt werden, dass solche Dinge nicht mehr passieren", heißt es im Büro von Bandion-Ortner. Die Neuregelung soll "demnächst in Kraft treten".

Zwei Millionen Datensätze

Gerüchte über Datenmissbrauch im Justizbereich gab es seit Jahren, wie der Datenschutzexperte Hans Zeger sagt. "Seit zehn Jahren weisen wir darauf hin, dass Wirtschaftsauskunftsdienste Daten verwenden, die sie eigentlich nicht rechtmäßig beschafft haben können." Er geht davon aus, dass in diesem Zeitraum rund zwei Millionen Datensätze "abgezweigt wurden". "Wir wissen auch, dass es Beamte gab, die an bestimmten Tagen alle Exekutionen von A bis Z abgerufen haben." Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser hat zur Causa bereits eine parlamentarische Anfrage an Bandion-Ortner eingebracht.

Laut Zeger habe man auch die Bandion-Vorgängerin Maria Berger (SPÖ) von der Praxis informiert und damals Strafanzeige eingebracht. Herausgekommen ist allerdings nichts. Das Verfahren wurde eingestellt.(Günther Oswald, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 4.3.2011)