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Kuncic: Die Weiterbildung der Mitarbeiter erhält die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens.

Susannah Kuncic ist Fachbereichsleiterin bei der ÖSB Consulting GmbH. Das Unternehmen berät im Auftrag öffentlicher Einrichtungen wie dem AMS rund 1.000 Unternehmen pro Jahr.

Foto: ÖSB

80 bis 90 Prozent der KMU (Kleinere und mittlere Unternehmen) setzen regelmäßig auf die Weiterbildung und Qualifizierung ihrer Mitarbeiter. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie der KMU Forschung Austria aus dem Jahr 2008.

Studien und Umfragen sind die eine Seite der Medaille. Die Praxis zeigt, dass das Thema Weiterbildung gerade für KMU, und hier insbesondere für kleinere Betriebe, mit Hürden versehen ist. Mit diesen hat das 40-köpfige Berater-Team rund um Susannah Kuncic, Fachbereichsleiterin bei der ÖSB Consulting GmbH, täglich zu kämpfen. ÖSB berät im Auftrag öffentlicher Einrichtungen wie dem AMS rund 1.000 Unternehmen pro Jahr, davon sind 95 Prozent KMU, ein großer Teil davon hat weniger als 50 Mitarbeiter.

Unternehmerpersönlichkeit ist entscheidend

Kuncic betont vorweg, dass sich KMU in ihrer Personalarbeit je nach Anzahl der Mitarbeiter fundamental unterscheiden. Mittelgroße Betriebe haben zwischen 50 und 250, kleine Betriebe bis zu 50 und Kleinstbetriebe unter zehn Mitarbeiter. Bei kleineren Betrieben hänge es sehr stark von der Unternehmerpersönlichkeit ab, in welchem Ausmaß auf Weiterbildung gesetzt wird. Wer im eigenen Lebenszyklus denkt, selbst schon 55 Jahre alt ist und vorhat, in fünf Jahren in Pension zu gehen, mag anders über Fortbildung denken als ein junger, innovativer Unternehmergeist.

Schwaches strategisches Management

Vor allem kleinere Betriebe müssen im Vorfeld einige Hürden meistern, um ihren Mitarbeitern Weiterbildung anzubieten. Erstens ist selbst bei größeren KMU meist keine eigenständige Personalabteilung anzutreffen, Kleinstbetriebe haben gar keine organisatorischen Ressourcen im Haus. Zweitens ist das strategische Management sehr schwach ausgeprägt, Entscheidungen werden daher häufig kurzfristig getroffen. "Dadurch ist vorausschauende Weiterbildung oft kein Thema, diesbezügliche Wünsche von Mitarbeitern kommen nur ans Tageslicht, wenn sie laut geäußert werden", weiß Kuncic. Fortbildung sei in den allermeisten Fällen kein strukturell verankertes Thema.

Organisation als größte Hürde

Anders als vielleicht vermutet, ist der finanzielle Aspekt in der Regel nicht die größte Herausforderung, so Kuncic. Die große Einschränkung liege vielmehr darin, die Fortbildung zeitlich zu organisieren, gleichzeitig aber den Betrieb aufrecht zu erhalten. Für kleine Firmen, die jeden Mitarbeiter brauchen um das Geschäft am Laufen zu halten, eine Hemmschwelle.

Um das Problem zu umgehen, können Fortbildungen außerhalb der Betriebszeiten, zum Beispiel am Abend oder Wochenende, durchgeführt werden. Im ländlichen Raum sind die Möglichkeiten aber beschränkt. "Eine gute Lösung sind hier Qualifizierungsverbünde, bei denen sich mehrere Unternehmen zusammentun oder kleinere mit größeren Betrieben kooperieren, um sich vor Ort Weiterbildungen zu organisieren", so Kuncic. Kleinbetrieben, die sich dahingehend informieren lassen, wird die Beratung vom AMS zu 100 Prozent gefördert.

Weiterbildung erhält Leistungsfähigkeit

Die Schulung von Mitarbeitern kostet also nicht nur Geld, sondern ist für viele KMU auch organisatorisch schwer auf die Reihe zu bekommen. Warum sollen Firmen trotzdem in Bildung investieren? "Kleinere Betriebe sind sehr oft personal- und nicht kapitalintensiv. Die Mitarbeiter sind der einzig entscheidende Produktionsfaktor, Weiterbildung ist also eine Sache von Aufrechterhalten der Leistungsfähigkeit eines Unternehmens", so Kuncic. Durch den demografischen Wandel sind Firmen in Zukunft gezwungen, wieder verstärkt auf ältere Mitarbeiter zurückzugreifen. "Das was 20 Jahre funktioniert hat, nämlich Personal mit 50 in Pension zu schicken und am Arbeitsmarkt jüngere Nachfolger zu suchen, verschwindet zunehmend."

Externe Schulungen sind beliebt

Sind die Hürden erst einmal gemeistert, entscheiden sich die Betriebe laut KMU-Studie vor allem für externe Schulungen, 60 bis 70 Prozent der KMU greifen regelmäßig darauf zurück. Ähnlich häufig werden Mitarbeiter zu Messen, Tagungen und Seminaren geschickt, um den beruflichen Horizont zu erweitern. 

Der Studie zufolge erfolgt Weiterbildung vor allem auf fachlich-technischer Ebene, gefolgt von kaufmännischen Kenntnissen wie Verkauf, Marketing oder Rechnungswesen, die in Kleinstbetrieben allerdings weniger nachgefragt sind. Darüber hinaus bilden rund 40 Prozent der KMU ihre Mitarbeiter im Bereich EDV weiter, wobei dieser Zweig in den vergangenen Jahren abgenommen hat.

Bildung ist meist defizitorientiert

Ein steigendes Interesse ist bei der Vermittlung von "Soft Skills" zu erkennen, rund ein Drittel der KMU ist hier laut KMU-Studie bereits aktiv. Bei gewerblichem Personal wie etwa Montagearbeitern im Baugewerbe werden etwa Bildungsangebote zum Thema Kundenorientierung immer mehr nachgefragt. Diese Erfahrung macht zumindest Kuncic. Sie nimmt aber auch wahr, dass Weiterbildung in KMU größtenteils defizitorientiert stattfindet: Ein Excel-Kurs für die Buchhaltung, technische Weiterbildungen aufgrund der Einführung neuer PC-Programme.

Jüngere und höher Qualifizierte haben Vorteile

Wie stehen die Mitarbeiter selbst zur beruflichen Weiterbildung? Der KMU-Studie zufolge steigt die Bereitschaft zur Fortbildung mit der Größe des Betriebes. Erhebungen zeigen, dass mehr als 90 Prozent der Beschäftigten in mittleren Unternehmen (50 bis 249 Mitarbeiter) positiv dazu stehen, so die Studienautoren.

Deutlich wird, dass in bestimmte Mitarbeitergruppen bevorzugt investiert wird: jüngere und höher qualifizierte Mitarbeiter. Ältere Arbeitnehmer ab 55 Jahren sind seltener in Weiterbildungsmaßnahmen eingebunden als jünger Kollegen. Auch Arbeitskräfte wie Handwerker oder Arbeiter profitieren am wenigsten, Geld wird lieber in die Weiterbildung qualifizierter Techniker oder des mittleren Managements gepumpt. Je höher deren Funktionsebene, desto wahrscheinlicher die Chance auf externe Fortbildungen.

Den Wunsch nach Bildung laut äußern

Diese Erfahrung macht auch Kuncic. "Besonders in kleineren Betrieben ist die Chance auf Weiterbildung sehr gering, wenn der Wunsch danach nicht vom Mitarbeiter selbst laut ausgesprochen wird", so Kuncic. Weiterbildungsgewohnte wie Jüngere und höher Qualifizierte äußern diesen Bedarf eher als Arbeiter oder ältere Arbeitnehmer. "Wer 25 Jahre lang im selben Betrieb ist und bisher wenig Fortbildungen gemacht hat, wird auch in Zukunft nicht von sich aus auf die Idee kommen." Auch wer sich bereits in ein paar Jahren im Ruhestand sieht, habe geringere Ambitionen, etwas Neues zu lernen. (Maria Kapeller, derStandard.at, 16.3.2011)