Österreichische Drohnen kreisen über Libyen und überwachen für das Regime die Bevölkerung: DerVerkauf der Camcopter S-100 wurde vom Wirtschaftsministerium abgesegnet.

Foto: schiebel.net

Wien/Tripolis - Ein Verkauf von Drohnen eines österreichischen Unternehmens an Libyen im Jahr 2009 sorgt für Aufregung: Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht einen klaren Verstoß gegen das Kriegsmaterialiengesetz. Das Wirtschaftsministerium teilt diese Einschätzung offensichtlich nicht. Der Deal sei mit Hinweis auf "Libyen als Bollwerk gegen den Flüchtlingsstrom" damals abgesegnet worden. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) will die Causa prüfen lassen.

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Wien - Das libysche Regime benutzt im derzeit herrschenden Kampf gegen die eigene Bevölkerung Kriegsmaterial aus Österreich. Das belegen Dokumente, die dem grünen Abgeordnete Peter Pilz vorliegen.

Den Unterlagen nach soll die österreichische Firma Schiebel mit Sitz in Wiener Neustadt im Jahr 2009 insgesamt vier Drohnen nach Libyen verkauft haben - um mehr als sieben Millionen Euro. 15 Prozent Provision davon kassierte ein Wiener Waffenzwischenhändler, der im ersten Bezirk eine Pizzeria besitzen soll.

Geplant war der Verkauf von acht weiteren Drohnen (also von unbemannten, kleinen Hubschraubern mit Kamera), der aufgrund der aktuellen Umstürze allerdings nicht zustande kam.

Jüngster Gaddafi-Sohn als Kommandant

Die vier aus Österreich stammenden Drohnen sollen von der libyschen Brigade 32 benutzt werden, die unter dem Kommando von Kahmis Gaddafi, dem jüngsten Sohn von Muammar Gaddafi, steht. Sie würden zur Erkundung und Aufklärung eingesetzt.

Verwirrung gibt es rund um die Genehmigung zur Ausfuhr der Drohnen. Diese war 2008 vom Wirtschaftsministerium genehmigt worden, bestätigt die zuständige Sprecherin dem STANDARD. Die Anzahl könne man aber nicht verifizieren. Nach Absprache mit dem Außenministerium habe man beschlossen, Libyen die Drohnen "zur Überwachung der Grenze aufgrund der Flüchtlingsproblematik zu genehmigen. Libyen galt damals als Bollwerk gegen den Flüchtlingsstrom."

Stimmt nicht, heißt es aus dem Außenministerium. Es habe zwar die Anfrage aus dem Wirtschaftsministerium gegeben, diese wurde aber mit "einer negativer Stellungnahme beantwortet" . Man habe von einer Genehmigung abgeraten.

Kompetenz unklar

Weitere Verwirrung gibt es darüber, in wessen Kompetenz die Auslieferung von Drohnen in Österreich fallen. Birgit Rumersdorfer, stellvertretender Vorstand am Institut für Völkerrecht an der Universität Linz: "Drohnen fallen eindeutig unter das Kriegsmaterialiengesetz." Damit wäre eine Bewilligung des Innenministeriums für das Geschäft notwendig. Wobei Rumersdorfer sagt: "Im Falle Libyens kann 2009 vom Vorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen ausgegangen werden. Heute sähe die Lage anders aus." Neben dem von der Uno als auch von der EU verhängten Waffenembargo müsse auch berücksichtigt werden, dass eine Bewilligung für Länder, wo gewaltsame Konflikte herrschen oder auch erwartbar sind, nicht erteilt werde.

Heinz Mayer, Verfassungsjurist an der Universität Wien, sieht hingegen einen Verstoß gegen das Kriegsmaterialsgesetz. Es könnte außerdem als "Neutralitätsgefährdung geahndet werden", sagte er zum STANDARD. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) will die Sache nun prüfen lassen.

Schiebel weist Vorwürfe zurück

Die Firma Schiebel spricht von "ungerechtfertigten Vorwürfen": Die Drohnen seien nicht als Kriegsmaterial einzustufen. Mehrheitlicher Eigentümer des Betriebs ist eine Familienstiftung. Es fehlt nicht an prominenten Investoren: Der Papierindustrielle Veit Sorger, Getränkeerzeuger Franz Rauch und Ex-SCS-Chef Maurizio Totta sind an Bord. Für den Bau der Fertigung in Wiener Neustadt gab es Förderungen von mehr als 1,3 Millionen Euro.

Intern ist von einem Höhenflug keine Rede. Seit Jahren summieren sich Verluste und Verbindlichkeiten, Umsatzziele wurden nicht erreicht. In der vor kurzem eingereichten Bilanz für 2009 weist die Schiebel Elektronische Geräte GmbH einen Jahresfehlbetrag von beinahe fünf Millionen aus. Das Eigenkapital belief sich auf minus 15 Millionen. Die Umsätze brachen von 28 auf fast 16 Millionen ein. (nik, pm, vk, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.3.2011)