Im Wettbewerb der großen Schiedsstandorte in Europa richtet sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf Ostasien. Österreich hinkt bei der Bewerbung seiner Stärken - vor allem des Kostenvorteils - allerdings hinten nach.

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Eine Delegation österreichischer Schiedsrechtsexperten ist vor kurzem nach China gereist, um dortigen Investoren und Anwälten den Schiedsstandort Wien für die Austragung künftiger Streitigkeiten schmackhaft zu machen. Bei Roadshows in Hongkong, Peking und Schanghai wurde das Expertenteam mit kritischen Fragen konfrontiert:"Nennen Sie uns fünf Gründe, weshalb wir unseren Klienten raten sollen, Wien und nicht Zürich oder Stockholm zu wählen. Solche Fragen wurden immer wieder gestellt" , sagt Rechtsanwalt Alexander Petsche (Baker & McKenzie).

Gut so, denn für Wien spricht laut Manfred Heider, Generalsekretär der VIAC, dem Schiedsgericht der Wirtschaftskammer, einiges: "Als neutrales Land mit einem stabilen Rechtssystem sind wir ein ideales Pflaster für die Austragung außereuropäischer Rechtsstreitigkeiten. Und die Judikatur des OGH ist ausgesprochen schiedsgerichtsfreundlich. Anfechtungen von Schiedssprüchen haben nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn es zu schweren Verstößen gegen fundamentale Rechtsgrundsätze gekommen ist." Noch etwas spricht für Wien, so Heider: "Im Vergleich zu Paris, London, Zürich und Stockholm sind die Kosten deutlich geringer. Die VIAC ist sehr schlank organisiert, die Verwaltungsgebühren sind daher niedrig."

Wien ist günstig

Ein Argument mit Gewicht. Denn die Gründe, weshalb sich Parteien einen Standort wählen, seien ganz pragmatische, sagt Schiedsrechtsexperte Günther Horvath (Freshfields): "Zeit und Geld sind entscheidend. Bei einem Schiedsverfahren bestehen die Teams meist aus mindestens zehn Personen, und die Verfahren dauern häufig zwei Wochen. Da macht es unterm Strich einen Unterschied, ob eine Übernachtung 120 oder 300 Euro pro Person kostet. Wien ist vergleichsweise günstig."

Diese Vorteile haben sich im Ausland noch nicht herumgesprochen. In 45 Prozent aller Schiedsklauseln findet sich der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris - trotz höherer Kosten - als Entscheidungsinstanz. Über 900 Verfahren wickelt die ICC jährlich ab.

Die Schweizerische Vereinigung für Schiedsgerichtsbarkeit bewältige, so Horvath, etwa 300, das Schiedsgerichtsinstitut der Handelskammer Stockholm um die 200 Verfahren pro Jahr. Österreich bildet mit gerade mal 71 anhängigen Fällen das Schlusslicht.

Ein unbefriedigendes Ergebnis, das sich Österreich selbst zuzuschreiben hat, sagt Horvath. "Niemand hat auf uns gewartet. Unter den Schiedsgerichtsstandorten herrscht beinharte Konkurrenz."

Während Frankreich, die Schweiz und Schweden sich als Schiedsstandorte schon lang weltweit bewerben, hat dies in Österreich erst begonnen: "China und der Rest Asiens sind ein riesiger Markt, den wir uns nicht entgehen lassen dürfen. Wenn wir Investoren ins Land holen wollen, müssen wir uns endlich stärker positionieren" , so Petsche. Russland und die baltischen Staaten hätten schon aufgrund der geografischen Nähe eine Affinität zu Stockholm, für die CEE-Staaten liege Wien nahe. Hongkong sei stark mit dem Schiedsort London verbunden, "aber der Rest von China hat keinerlei Nahbeziehung, deshalb ist es so wichtig, dass wir dort auf uns aufmerksam machen" . Aber ohne Modernisierung des heimischen Schiedsrechts, so Horvath, werde das nicht viel nützen. (Judith Hecht, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.3.2011)