Viel Gemeinsamkeit prägt das Wohnklima in der Zwölfergasse.

Foto: STANDARD/Hendrich

Die seit 1992 in Wien lebende Bosnierin Mirsana Hanusic fühlt sich im interkulturellen Wohnprojekt "Come together" in der Wiener Zwölfergasse ganz zu Hause. "Ich habe ständig Nachbarn in der Wohnung", sagt sie mit gespielter Verzweiflung.

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Wiener Bauträger stellen sich ihrer sozialen Verantwortung und bemühen sich um ein gutes Zusammenleben von Alt- und Neo-Österreichern. Ein Pilotprojekt im 15. Bezirk zeigt vor, wie das geht.

Mirsada Hanusic sieht rot. Aber nur dann, wenn unter ihrem Fenster eine knallrote ÖBB-Lokomotive vorbeirumpelt. Die Bosnierin wohnt in der Zwölfergasse, zwischen Westbahnhof und äußerer Mariahilferstraße. Die Bahnschienen verlaufen, nur durch eine niedrige Mauer von der Fahrbahn getrennt, direkt an der Straße. Im Februar 2000 übergab die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft (Gewog) hier 16 Wohnungen an ihre Mieter, das Projekt trägt den Titel "Come Together" und versteht sich als Beitrag zum "interkulturellen Wohnen".

Will heißen, die Genossenschaft siedelte in dem Haus bewusst Mieter unterschiedlicher Nationalitäten an. Von den Bewohnern der Bundeshauptstadt haben über 35 Prozent Migrationshintergrund, doch in manchen Gemeindebezirken liegt die Zahl deutlich höher.

"Wer, wenn nicht wir?"

Dass sich gemeinnützige Bauträger dieser Situation stellen müssen, liegt für Susanne Reppé von der Gewog auf der Hand. "Wer, wenn nicht wir?", sagt sie und verweist auf die Verantwortung, die dem Wohnbau in Wien zukomme. Soziale Leistbarkeit und Durchmischung seien die Grundfragen, mit denen er sich konfrontiert sehe. Ins selbe Horn stößt auch Jörg Wippel, geschäftsführender Gesellschafter des Bauträgers WVG, kein gemeinnütziger, aber einer, für den "Menschen zu helfen und Geld zu verdienen kein Gegensatz" ist. "Zum Glück haben wir in Wien keine Reichen-Ghettos", sagt er. "Sogar in Döbling gibt es Gemeindebauten."

Wie kann das oft konfliktgeladene Zusammenwohnen von Menschen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft gedeihlich gestaltet werden? "Patentrezept habe ich keines", seufzt Reppé. "Aber eines ist klar: Die Fähigkeit, sich anständig zu benehmen, ist keine Frage der Staatsbürgerschaft." Wichtig sei es, die Kommunikation unter den Mietern in Gang zu bringen, nach dem Motto: Beim Reden kommen die Leute zusammen.

Neulich im Baumarkt

Dabei sieht WVG-Chef Wippel vor allem Bauträger und Hausverwaltungen in der Pflicht. "Herzblut" sei nötig und "menschliche Wärme". Man müsse alle wichtigen Gespräche mit den Mietern selbst führen, "damit nicht eine beliebige Amtsperson in die Wohnung kommt, sondern ein Mensch".

Die verantwortlichen Bauträger mühen sich redlich, veranstalten Feste und Mietertreffen, verfolgen auch durchaus kreative Ansätze. Teile des Innenausbaus können künftige Mieter einer Gewog-Wohnung selbst übernehmen. Das senkt nicht nur die Kosten. "Haben Sie schon einmal beobachtet, wie angeregt sich wildfremde Männer im Baumarkt unterhalten? ", fragt Susanne Reppé. "Das klappt immer."

Viele, die im "Come Together" in der Zwölfergasse wohnen, lebten zuvor in Übergangswohnungen karitativer Organisationen. Erst als ihre Lebenssituation gefestigt war, die Migranten einen Job und ausreichendes Einkommen hatten, konnten sie sich um geförderte Mietwohnungen als dauerhaftes Zuhause bewerben.

Manchmal bleibt auch dort das Rote Kreuz oder die Caritas als Hauptmieter eingetragen – das mindert für den Bauträger das Risiko, den Mieten hinterherlaufen zu müssen. Zumindest bei der Gewog gibt es in dieser Hinsicht ohnehin keine Probleme.

Mirsada Hanusic hat der Krieg 1992 nach Wien getrieben. Mittlerweile ist sie hier endgültig angekommen. "Ich bin Bosnierin. Aber ich lebe in Wien. Wenn ich aus dem Urlaub in Bosnien zurückkehre, denke ich immer: endlich zu Hause!"

Das Zusammenleben in der Zwölfergasse bereitet Hanusiæ keine Mühe. "Man muss andere akzeptieren, füreinander Respekt haben und miteinander reden", sagt sie. Das gelingt der Bosnierin manchmal fast zu gut. "Ich habe ständig Nachbarn in der Wohnung", sagt sie mit gespielter Verzweiflung und lacht dabei. Letzteres tut sie oft.

Klare Regeln gefordert

Nur wenn es um die Hausordnung geht, versteht Hanusiæ keinen Spaß. Sie befindet sich damit in guter Gesellschaft. "Es muss klare Regeln geben", sagt Jörg Wippel, "die Hausordnung gilt für alle", sagt Susanne Reppé. Das werde auch von den Mietern akzeptiert, Schwierigkeiten seien selten.

WVG-Geschäftsführer Wippel ist der Ansicht, die Bundeshauptstadt schlage sich – verglichen mit anderen Städten – sehr gut, was das harmonische Zusammenleben von Migranten und autochthoner Bevölkerung betrifft. Erfolge würden aber mangelhaft kommuniziert. Er hat den Eindruck, Wien geniere sich. Dazu hat die Stadt keinen Grund, findet Mirsada Hanusic. Sie ist hier glücklich. (Thomas Walach, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.3.2011)