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Necmettin Erbakan starb 82-jährig.

Foto: Reuters/Fatih Saribas

Istanbul/Berlin - Der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan hat mit seinem Auftritt vor rund 10.000 in Deutschland lebenden Türken in Düsseldorf am Sonntagabend erneut heftige Reaktionen ausgelöst. Der Generalsekretär der CSU, Alexander Dobrindt, forderte die Einbestellung des türkischen Botschafters ins Außenamt.

"Es ist ein beispielloser Vorgang, dass ein ausländischer Regierungschef in regelmäßigen Abständen seine bei uns lebenden Landsleute aufwiegelt", sagte Dobrindt. Wie schon vor drei Jahren, als Erdogan in Köln seinen türkischen Zuhörern sagte, sie dürften sich nicht assimilieren, kritisierten deutsche Politiker ähnliche Aussagen des Premiers als integrationsfeindlich.

"Niemand wird in der Lage sein, uns von unserer Kultur loszureißen", sagte der konservativ-muslimische Regierungschef in Düsseldorf. "Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst Türkisch lernen." Außenminister Guido Westerwelle entgegnete, die Kinder, die in Deutschland groß werden, "müssen zu allererst Deutsch lernen".

Erdogan eröffnete am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Computermesse Cebit in Hannover, wo die Türkei dieses Jahr Partnerland ist. Einen für Dienstag geplanten Besuch bei der EU-Kommission in Brüssel sagte der türkische Premier ab. Er will an der heute in Istanbul stattfindende Begräbnisfeier für seinen früheren politischen Mentor Necmettin Erbakan teilnehmen.

Der 82-Jährige war am Sonntag gestorben. Erbakan habe die islamischen Gruppen in der Türkei vereint und dem politischen Islam eine Agenda gegeben, sagt Sebnem Gümüscü Orhan, eine Politologin der Sabanci-Universität in Istanbul. Während seiner Zeit als Regierungschef 1996-97 habe er aber zunehmend radikale Positionen vertreten. Die Armee erzwang seinen Rücktritt. (mab/DER STANDARD, Printausgabe, 1.3.2011)