Wien - Der Strafprozess in der Causa Libro wird ab Dienstag, dem 1. März, nach einmonatiger Pause am Landesgericht Wiener Neustadt fortgesetzt. Nach den fünf Angeklagten kommen nun rund 60 Zeugen und Sachverständige zu Wort, die zu den Vorgängen rund um den Börsegang und die Pleite der Buch- und Papierhandelskette vor rund zehn Jahren Auskunft geben sollen.

"Krone"-Mann Wailand als Zeuge

Am zehnten Prozess-Tag will Richterin Birgit Borns den "Krone"-Wirtschaftsjournalisten und ehemaligen Libro-Aufsichtsrat Georg Wailand sowie den Chef des Interessenverbands für Kleinanleger (IVA), Erwin Rasinger, befragen.

Eine wichtige Aussage wird dann für Mittwoch vom derzeitigen Chef der notverstaatlichten Hypo-Alpe-Adria-Bank, Gottwald Kranebitter, erwartet. Kranebitter hatte im April 1999 als Wirtschaftsprüfer bei der KPMG mit seinem damaligen Kollegen Friedrich Lang eine von den Angeklagten als "Gutachten" bezeichnete Unternehmensbewertung der Libro Deutschland erstellt.

440 Millionen Schilling Dividende

Die damals von Libro beauftragte Bewertung ergab einen Unternehmenswert für die deutsche Libro-Tochter zwischen 140 und 160 Mio. Schilling (ca. 10,90 Mio. Euro). Libro Deutschland hatte zu diesem Zeitpunkt drei Filialen und schrieb Verluste. Laut den bisherigen Aussagen der Angeklagten war eine massive Expansion geplant, die auch für die Bewertung zugrunde gelegt wurde.

Aufgrund dieser Bewertung wurde 1999 eine Dividende von 440 Mio. Schilling ausgeschüttet, von der auch die Libro-Spitze bzw. die damalige Mutter Unternehmens Invest AG (UIAG) in Millionenhöhe profitierten. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, dass der Bilanzansatz für Libro-Deutschland viel zu hoch angesetzt war und damit praktisch das Unternehmen vor dem Börsegang im November 1999 finanziell ausgehöhlt wurde. Schließlich schlitterte Libro 2001 in den Ausgleich und 2002 in den Konkurs.

Bewertung keine Grundlage für Veräußerung

Die KPMG bezeichnet die Unternehmensbewertung als "Stellungnahmen". Darin heißt es, dass die Bewertung der deutschen Tochter aufgrund der Mittelfristplanung des Libro-Vorstandes erfolgt sei und dass diese "auftragsgemäß keiner näheren Überprüfung unterzogen" wurde - "vorrangig aus zeitlichen Gründen". Im Einvernehmen mit dem Auftraggeber wurde als Stichtag für die Bewertung der Bilanzstichtag (28. Februar 1999) gewählt.

Als Basis wählten Kranebitter und Lang die von der Libro vorgelegte Mittelfristplanung bis 2003/04. Demnach waren Investitionen zwischen 33 Mio. Schilling im ersten Planjahr 1999/2000 vorgesehen, die sich in den folgenden Jahren auf 264 Mio. Schilling hätten steigern sollen. Außerdem heißt es in der Zusammenfassung der Unternehmensbewertung, dass die Bewertungen auch subjektive, in der Sphäre der Eigentümerin gelegene Aspekte beinhalte und daher die Bewertung keine Grundlage für eine Veräußerung an Dritte sei.

Für die Bilanz 1998/99 schoss Libro ihrer deutschen Tochter 18 Mio. Schilling zu, sonst "hätte man ein Problem in der Erstellung der Bilanz gehabt", sagte der angeklagte ehemalige Libro-Finanzvorstand Johann Knöbl im Prozess aus. Als Geschäftsführer von Libro Deutschland fungierte damals der ebenfalls auf der Anklagebank sitzende Ex-Libro-Chef Andre Maarten Rettberg.

"Kein Vorwurf an Kranebitter"

Rettberg zieht in einer dem Gericht übermittelten Darstellung der Geschehnisse aus dem Umstand, dass Kranebitter und Lang nicht auf der Anklagebank sitzen den Schluss, dass "selbst nach Ansicht der Anklagebehörde Dr. Kranebitter bei dessen Bewertung - objektiv und subjektiv - kein Vorwurf gemacht werden kann und dies umso mehr für Rettberg gelten muss, der mit der Bewertung nicht befasst war."

Ende Juni 2001 wurde Kranebitter zum Sanierungsverwalter für die in den Ausgleich geschlitterte Libro bestellt. Knapp ein Jahr später meldete die Buchhandelskette Konkurs an. Tausende Klein- und Großanleger hatten aufgrund der Libro-Pleite Millionen verloren. Knapp ein Jahrzehnt hatten die Ermittlungen der Behörden gedauert, die letztendlich im derzeitigen Strafprozess mündeten.

Untreue, Betrug, Bilanzfälschung

Den fünf Angeklagten werden Untreue, schwerer Betrug und Bilanzfälschung rund um den Börsengang 1999 und die Insolvenz von Libro vorgeworfen. Neben den Hauptangeklagten Rettberg und Knöbl sind Ex-Aufsichtsratsvorsitzender Kurt Stiassny sowie dessen Stellvertreter Universitätsprofessor Christian Nowotny und Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann angeklagt.

Alle haben bisher die Vorwürfe zurückgewiesen, lediglich Knöbl hat sich in einem Unterpunkt - bei der Bilanzfälschung hinsichtlich des Hedging des Schweizer Franken - schuldig bekannt. Es gilt die Unschuldsvermutung. (APA)