Die Machtbasis von Muammar al-Gaddafi zerbröckelt zusehends, nun verliert der libysche Despot auch in seinem engsten Umfeld immer mehr an Rückhalt.

Wie ägyptische Medien berichteten, distanzierte sich Gaddafis enger Berater und Cousin Gadhaf al-Dam von ihm und trat von allen Funktionen zurück. Mit diesem Schritt protestiere er gegen "den Umgang mit der libyschen Krise". Gaddafi müsse das "Blutbad beenden und zur Besinnung kommen", um die Einheit und Zukunft Libyens nicht zu gefährden, hieß es in einer Erklärung Dams. Auch der libysche Generalstaatsanwalt Abdul-Rahman al-Abbar trat zurück und schloss sich der Opposition an.

Für Aufsehen sorgte eine Mitteilung des Vorsitzenden der Gemeinschaft der in Italien lebenden Araber (Co-mai), Foad Aodi: Einer der Söhne Gaddafis habe sich von seinem Vater losgesagt und sei nun bei den Oppositionellen. Um welchen der sieben Söhne es sich handelt, war nicht bekannt.

Gaddafis zweitältester Sohn Saif al-Islam kündigte hingegen im Nachrichtensender CNN-Türk "politische Veränderungen" an. Für alle Forderungen der Protestierer gebe es Lösungen, sagte er. Größtes Problem seien aber die bewaffneten Milizen. "Wir werden Libyen nicht dem Terrorismus überlassen", sagte er. Seine Familie halte am Plan fest: "Wir werden in Libyen leben und sterben."

Unterstützung könnte Gaddafi in letzter Minute noch von Simbabwes Präsident Robert Mugabe erhalten. Dieser habe laut Corriere della Sera Gaddafi Kämpfer geschickt und wolle ihm zudem politisches Asyl anbieten.

Flughafen erobert

Am Freitag eroberten Oppositionelle Mitiga, den internationale Flughafen in Tripolis. Nach Berichten des TV-Senders Al-Jazeera seien etliche Soldaten des Gaddafi-Regimes desertiert und hätten sich der Bewegung gegen den Machthaber angeschlossen. Zeugenberichten zufolge schossen Gaddafi-Truppen in Tripolis auf Demonstranten und töteten dabei laut Al-Jazeera mindestens zwei Menschen. Zuvor hatte es in der Nacht auch in der östlich von Tripolis gelegenen Mittelmeerstadt Misrata blutige Kämpfe mit Toten und Verletzten gegeben.

In Bengasi erklärte die Oppositionsbewegung, sie rechne in der von ihr bereits seit Tagen besetzten Stadt mit einem baldigen Gegenangriff der Truppen Gaddafis. "Wir erwarten jeden Moment eine Attacke", sagte ein desertierter Oberst namens Said. Der Sicherheitschef von Bengasi, Nuri al-Obeidi, berichtete von einem Gefangenenlager, das von Gaddafis Sohn Khamis befehligt worden war. Unter den 90 Befreiten seien auch Deserteure, die sich geweigert hätten, auf Oppositionelle zu schießen. Aber auch die Oppositionsbewegung kennt teilweise keine Gnade: Ein Polizist in der Stadt Al-Baidha erklärte, dass Aufständische dort 200 Söldner massakriert hätten. Den ausländischen Soldaten vom Gaddafi-Regime sei eine Prämie von 12.000 Dollar für jeden getöteten Demonstranten versprochen worden.

In Bengasi liefen unterdessen auch die Vorbereitungen für einen "Marsch auf Tripolis", um der dortigen Bevölkerung bei der Vertreibung Gaddafis zu helfen.

Freitagvormittag wurde das österreichische Personal der Botschaft in Tripolis aus technischen und Sicherheitsgründen an die Grenze zu Tunesien und zu Ägypten verlegt. Die Botschaft in der Hauptstadt bleibe aber weiterhin mit ortsansässigen Mitarbeitern geöffnet. Botschafterin Dorothea Auer wurde an der libysch-tunesischen Grenze stationiert, während über die Ausreise eines Teils des Botschaftspersonals beraten werde. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, Printausgabe, 26./27. Februar 2011)