Astronomen müssen ihre Vorstellungen von habitablen Planeten modifizieren: Auch die Gezeiten müssen bei der Analyse möglicher Kandidaten miteinbezogen werden.

Foto: NASA/JPL-Caltech

Potsdam - Auf der Suche nach möglichem außerirdischen Leben waren bisher jene Planeten außerhalb unseres Sonnensystems (Exoplaneten) von Interesse, die sich in der habitablen Zone um einen Stern befinden. Das heißt, dass die Exoplaneten den Stern in einer solchen Entfernung begleiten, dass die Temperaturen auf der Planetenoberfläche das Vorkommen von Wasser ermöglichen - gilt doch flüssiges Wasser als essenzielles Element für Leben. Zur Bestimmung der Oberflächentemperatur werden bislang vor allem die Entfernung des Planeten zu seinem Mutterstern und die atmosphärische Zusammensetzung des Planeten berücksichtigt.

Aus beobachterischer Sicht galten bisher massearme Sterne als aussichtsreiche Kandidaten für habitable, planetare Begleiter. Dieses Konzept gehört modifiziert: Es muss um die Analyse der Gezeiten erweitert werden, schreibt ein Astronomenteam um René Heller vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP). Ihre Studie wurde im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" veröffentlicht.

Drei Effekte

Drei Effekte seien dafür verantwortlich, dass das traditionelle Konzept der habitablen Zone modifiziert werden müsse: Erstens bewirken Gezeiten eine Aufrichtung der planetaren Rotationsachsen gegen die Umlaufbahn auf 90 Grad und das bereits innerhalb weniger Millionen Jahre. Auf der Erde beträgt dieser Winkel dank des Bahndrehimpulses des Erdmonds konstante 23,5 Grad und verursacht unsere Jahreszeiten. Auf erdähnlichen Planeten in der habitablen Zone um massearme Sterne gäbe es demnach keine Jahreszeiten. Das wiederum verursache enorme Temperaturunterschiede zwischen den Polen und dem Äquator. Sie bewirken extreme Winde und langfristig ein Ausfrieren der Atmosphäre an den Polen und eine Evaporation am Äquator.

Als zweiter Effekt trete - ähnlich wie auf dem Jupitermond Io, welcher von globalem Vulkanismus gekennzeichnet ist - zwischen besagten Sternen und Planeten eine starke Gezeitenheizung auf. Diese könne den Planeten umfassend unbewohnbar machen. Darüber hinaus veranlassen Gezeiten drittens, dass sich die Rotationsperiode der besagten Exoplaneten langfristig der Orbitperiode nähere. Das bedeute, dass innerhalb eines Bahnumlaufs nur eine Eigendrehung des Planeten erfolge. In diesem Zustand wird nur noch eine Hälfte des Planeten vom Stern bestrahlt und erhitzt, während die andere in ewiger Dunkelheit ausfriert.

Neuanalysen

Die habitable Zone um massearme Sterne sei also nicht komfortabel, womöglich nicht einmal habitabel, schließen die Forscher. Die Schlussfolgerung: Die ersten verheißungsvollen Kandidaten in der traditionellen habitablen Zone müssten nun auf Gezeiten analysiert werden. Zur Überprüfung ihrer Analyse haben die Forscher Gliese 581g, den bislang wahrscheinlich erdähnlichsten Exoplaneten, theoretisch untersucht. Ihr Fazit: Es dürfte auf Gl581g keine Jahreszeiten mehr geben und die Länge eines Tages auf dem Planeten wäre unter Annahme einer kreisförmigen Umlaufbahn identisch mit der Länge eines Jahres. Der Planet besäße somit kein flüssiges Oberflächenwasser und wäre höchstwahrscheinlich unbewohnbar.

"Generell sieht es für Leben auf erdähnlichen Planeten in der traditionellen habitablen Zone um massearme Sterne schlecht aus, wenn wir Gezeiten berücksichtigen. Auf der Suche nach einer zweiten Erde, so scheint es, müssen wir uns auch auf die Suche nach einer zweiten Sonne begeben", schloss Heller. (red)