Die gute alte Wechselstube: Melikishvili Avenue, Tiflis.

Foto: Markus Bey

Was macht der Georgier, wenn er sich eine Wohnung kaufen will, statt einem "patroni" (Wohnungseigentümer) Monat für Monat Geld für die Miete in den Rachen zu werfen? Die Frage ist nicht uninteressant, denn schließlich ist Georgien ein Spezialfall unter den "emerging markets": charmant chaotisch, weitgehend industrielos, mit dem Herzen im Westen, im kalten Kriegszustand mit dem riesigen Nachbarn Russland, Nato-Beitrittskandidat und Verhandlungen mit Brüssel vorbereitend über das, was je nach politischer Couleur einigermaßen bedrohlich "deep free trade" heißt. Der Georgier trommelt den Familienrat zusammen, nachdem er bei der Bank abgeblitzt ist. Danach gibt es georgische Mischfinanzierungsmodelle.

Eine 120 Quadratmeter große Wohnung in den besseren Vierteln von Tiflis - Vera, Vake oder Saburtalo - kostet derzeit zwischen 80.000 und 100.000 US-Dollar (gerechnet wird in Dollar, nicht in georgischen Lari). Georgische Banken vergeben Kredite zu günstigenfalls zwölf Prozent Zinsen für zehn Jahre, was bei einer Kreditsumme von 100.000 Dollar monatlich 1430 Dollar Belastung ausmacht. Der Kreditnehmer bezahlt dabei über die Jahre insgesamt 72.000 Dollar Zinsen, was jeder unanständig findet, ausgenommen die Bank. Voraussetzung für einen solchen Kredit wäre zudem ein sicheres Monatseinkommen von etwa 2500 Dollar sowie die Immobilie, welcher wiederum einen höheren Wert als der 100.000-Dollar-Kredit haben müsste - etwa 140.000 Dollar. Für die neue georgische Mittelklasse - junge Erwachsene zwischen 25 und 35 - ist das so nicht machbar.

Wohlhabende Georgier sparen sich das Bankgeschäft, graben ein paar Tage in der Familie herum und legen dann 100.000-Dollar auf den Tisch, um die Wohnung zu kaufen. Die Mehrheit muss ein paar Kurven mehr fahren: Geld von Verwandten und Freunden leihen, ein Haus der Familie auf dem Land verscherbeln, zusätzlich einen kleineren Kredit aufnehmen - und Zeit kaufen. Eine interessante georgische Möglichkeit ist mietfreies Wohnen gegen Vorschuss. Eine Familie streckt einem Wohnungseigentümer zum Beispiel 30.000 Dollar für zwei Jahre vor, wohnt während dieser Zeit ohne Miete zu zahlen und erhält genau diese Summe nach zwei Jahren wieder zurück. Arrangiert wird das beim Immobilienmakler. Der Gewinn: der "Mieter" kann zwei Jahre lang Geld beiseite legen, der Eigentümer hat vorübergehend 30.000 Dollar, die er zinsfrei für Investitionen verwenden kann.

Sarkatvelos Banki (Bank of Georgia) und TBC Bank halten zusammen mehr als die Hälfte aller Bankeinlagen in Georgien und machten 2010 erstmals wieder Profite seit dem Krieg gegen Russland im August 2008. Georgiens Wirtschaft soll dieses Jahr um 5,5 Prozent wachsen, so schätzt der Internationale Währungsfonds, der seine Prognose gerade um einen Prozentpunkt nach oben korrigiert hat.