"Keiner Berufsgruppe wird von den Österreichern so wenig Vertrauen entgegengebracht wie den Politikern", vermeldet dieser Tage der Kurier in Bezug auf eine aktuelle Umfrage und zitiert dazu die Meinungsforscherin Roswitha Haßlinger gleich mit einem radikalen Lösungsvorschlag: "Wenn eine Marke einen derart niedrigen Wert hat, würde ich sie vom Markt nehmen."

Und genau das passiert jetzt auch tatsächlich. Österreichs Politiker nehmen sich bis 2013 vom Markt. Bis dahin wird es im ganzen Land keine Wahlen geben. Eine vergleichbar lange Periode der Wahlfreiheit steht erst wieder zwischen 2030 und 2033 an - aber dann nur, wenn keiner der bis dahin zu absolvierenden 46 Wahlgänge vorverlegt wird. Und danach erst wieder im nächsten Jahrhundert. Eine "Jahrhundert-Chance" also, darüber herrscht unter Politikern breitester Konsens, denn nun könne man endlich große Reformprojekte vorantreiben, ohne dabei auf parallel zu schlagende Wahlkämpfe und die damit unvermeidbar einhergehende Umschmeichlung der Wähler Rücksicht nehmen zu müssen.

Aber was enthüllt uns diese Einschätzung? Die bittere Erkenntnis, dass der verheerende Ruf unserer Politiker bei der Bevölkerung noch von einem anderen Imagewert unterboten wird: jenem der Bevölkerung bei den Politikern.

Diese billigen dem Wahlvolk offensichtlich nicht die Intelligenz zu, die Notwendigkeit von Reformen zu erkennen oder gar deren Umsetzung zu belohnen, weil uns in ihren Augen noch das klebrigste Wahlzuckerl lieber ist als die Auseinandersetzung mit der Realität.

Woher kommt diese Skepsis? Ist der tägliche Umgang mit Lobbyisten aller Art, die über den engen Horizont ihrer Partikular-Interessen nicht hinaus zu blicken gewillt sind, Schuld daran? Glauben unsere Politiker, dass alle österreichischen Beamten so sind wie Fritz Neugebauer? Sind sie der Überzeugung, dass zum Thema Föderalismus die Bewohner der Bundesländer genauso denken wie die um ihre Macht kämpfenden Landeshauptleute? Meinen sie, dass die von der Redaktion kunstvoll manipulierten Leserbriefseiten der Kronen Zeitung tatsächlich die Stimme des Volkes repräsentieren und dass die heimische Jugend wirklich so ist, wie sie in der ATV-Serie Saturday Night Fever dargestellt wird?

Was immer der Grund sein mag, wir sind bei ihnen unten durch. Kein Wunder, dass viele Bürgerinnen und Bürger so reagieren wie die Volksvertreter. Sie nehmen sich vom Markt, wie an der Entwicklung der Wahlbeteiligung abzulesen ist.

Was vom Markt genommen wird, unterzieht sich in der Regel einem Relaunch, um verbessert zurückzukommen. Wie schaut der bei Österreichs Politikern aus? Angesichts der Tatsache, dass die "Jahrhundert-Chance" bislang nicht einmal ansatzweise für konstruktive Maßnahmen, Reformen oder auch nur Politik, die diese Bezeichnung verdient, genutzt wurde, scheint die Strategie so auszusehen, dass man das gleiche Produkt 2013 einfach wieder in Umlauf bringt, in der Hoffnung, der Konsument wird dumm genug sein, das nicht zu bemerken.

Und bei der Bevölkerung? Durchaus denkbar, dass sich an unserem Marktauftritt etwas ändern wird. Sogar die Neupositionierung der Dummbürger als Wutbürger scheint nicht mehr völlig ausgeschlossen. (Florian Scheuba, DER STANDARD, Printausgabe, 24.2.2011)