Wien - Bis der Schadenersatz bei nicht diagnostizierten Behinderungen von Babys in der Schwangerschaft neu geregelt wird, dürfte es noch einige Zeit dauern. Die Begutachtungsfrist der umstrittenen Novelle zur Abschaffung der dabei geltenden ärztlichen Haftpflicht von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) ging am Mittwoch mit großteils kritischen Stimmen zu Ende. Ministerien und Vertretungen lehnten den Entwurf ab, vielfach wurden verfassungsrechtliche Probleme geortet. Justizsprecher Paul Hefelle kündigte eine Überarbeitung des Vorschlags an. Man werde aber an der Thematik festhalten, bis es eine Lösung gebe.

Novelle "in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich"

Bis Mittwochnachmittag wurden 22 Stellungnahmen auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht. Ablehnend äußerte sich darin unter anderem der Oberste Gerichtshof: Die Verneinung jeglicher Haftung des Arztes sei "systemwidrig" und die Freistellung einer einzelner Berufsgruppe widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. So gesehen sei die Novelle "in verfassungsrechtlicher Hinsicht bedenklich".

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hatte die Pläne der Justizministerin öffentlich bereits mehrfach kritisiert hatte, bekräftigte den weiterein Boykott:  "Er greift in einem hochsensiblen Bereich in die Rechtsposition von Frauen ein und bringt massive Verschlechterungen für Frauen bzw. Eltern mit sich." Sprecherin Julia Valsky: "Wir bleiben dabei, dass dieser Entwurf keinesfalls den Ministerrat passieren wird."

Soziale Begleitmaßnahmen weitere Hürde

Laut Justizministerium soll die Novelle in der jetzigen Fassung aber ohnehin nicht durchgeboxt werden. Bezogen auf die Stellungnahmen werde man inhaltliche Anpassungen vornehmen, erklärte Hefelle. "Man wird versuchen eine Lösung zu finden und dann die politische Einigung suchen." Die medialen Äußerungen hätte gezeigt, dass Diskussions- und Änderungsbedarf bestehe. "So wirklich glücklich ist niemand mit der jetzigen Gesetzeslage", betonte Hefelle. Daher werde man auch nicht aufgeben.

Neben unterschiedlichen Diskussionsstandpunkten sind soziale Begleitmaßnahmen eine weitere Hürde. Deren Schaffung ist in der Novelle als Ausgleich zum wegfallenden Schadenersatz angedacht. "Es wird letztlich nur zu einem Konsens kommen, wenn man diese sozialrechtlichen Begleitmaßnahmen schaffen kann", gestand Hefelle ein. Einen angekündigten runden Tisch zu dem Thema gibt es allerdings noch nicht, lediglich Vorgespräche fanden statt.

Kritik vom Rechnungshof

Einen Vorschlag, Diskriminierung behindert Geborener aufzuheben, unterbreitete der Österreichische Frauenring in seiner Stellungnahme: Auch für ein gesundes Kind sollten Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können, wenn ein Ärztefehler eine unerwünschte Schwangerschaft bedingt. Der Österreichische Blinden- und Sehbehindertenverband nahm ebenfalls Stellung und begrüßt die Intention der Novelle zwar grundsätzlich, fordert gleichzeitig aber die Wahrung der Qualität von Pränataldiagnostik.

Der Rechnungshof kritisierte vor allem, dass die zu erwartenden Kostenfolgen einer Gesetzesänderung nicht näher dargestellt werden. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt beurteilte die Novelle als "inkonsequent" und urteilte ebenfalls negativ: "Aus verfassungsrechtlicher Sicht stellt sich daher vor allem die Frage, ob ein derartiger Haftungsausschluss sachlich rechtfertigbar ist." Abgelehnt wurde die Stellungnahme unter anderem auch vom Gesundheitsministerium, dem Verband Österreichischer Versicherungsmakler, vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag, der Arbeitsgemeinschaft der Patientenanwälte, der Bundesarbeitskammer und dem Institut für Zivilrecht der Universität Innsbruck. Positiv äußerten sich die Vorarlberger Landesregierung und der Kinder- und Jugendanwaltschaft Tirol.

Die Diskussion um den Gesetzesentwurf, der eine Aufhebung der Haftungspflicht für Ärzte im Fall einer nicht diagnostizierten Behinderung von Babys in der Schwangerschaft vorsieht, hält seit Jänner an. Kritiker befürchten bei einer Novellierung eine Verschlechterung der Qualität in der Pränataldiagnostik, Befürworter halten die jetzige Regel für diskriminierend. (APA)