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Dem Schwein wird's wahrscheinlich so oder so schmecken: Leichte Verunreinigungen mit nicht zugelassenen Genpflanzen sind im Futtermittel erlaubt.

Foto: Reuters

Wien - Ein kleiner Tropfen kann manchmal viel auslösen. Ein Teelöffel Öl reicht zum Beispiel aus, um bis zu 1000 Liter Wasser zu verschmutzen. Um die Wirkungen kleinster Verunreinigungen schwelt seit Monaten auch in der EU ein Streit, der am Dienstag vorerst entschieden wurde.

Das Thema ist denkbar heikel, es geht um Gentechnik. In der EU gilt derzeit eine Null-Toleranzpolitik beim Import gentechnisch veränderter Pflanzen, die in der Union nicht zugelassen sind. Noch. Denn die EU-Kommission hat eine Lockerung dieser Regelung auf die Schiene gebracht und wird dabei ausgerechnet von Österreich, einem ansonsten besonders Gentechnik skeptischen Land, unterstützt.

Konkret haben sich am Dienstag EU-Staaten und Kommission auf die Aufweichung des Verbotes bei Futtermittelimporten geeinigt. Bisher galt, dass zum Beispiel Mais oder Soja aus den USA oder Argentinien zurückgeschickt werden mussten, sofern sich darin auch nur geringste Mengen nicht zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen befanden. Der zuständige Agrarausschuss in Brüssel hat nun Kontaminationen dieser Art bis 0,1 Prozent erlaubt. Die Regelung gilt, sofern die Zulassung der Pflanze in der EU beantragt wurde. Eine Genehmigung ist nicht nötig. Laut Website Trans Gen läuft in der EU bei 100 gentechnisch manipulierten Pflanzen ein Zulassungsverfahren.

Obwohl es nur um geringe Mengen geht, sehen Kritiker in der Lockerung des Verbots einen wichtigen symbolischen Schritt. "Das ist ein Türöffner dafür, dass weitere gentechnisch veränderte Produkte in die EU, und damit letztlich auf unsere Teller kommen", meint die Grüne EU-Parlamentarierin Eva Lichtenberger. Auch bei Greenpeace-Österreich gehen die Wogen hoch: "Die EU gibt dem Druck der Agrar-Lobby nach", so Philipp Strohm. "Es darf nicht sein, dass gentechnisch veränderte Futtermittel ohne Risikoanalyse in der EU zugelassen werden."

Im Büro des zuständigen EU-Verbraucherschutzkommissars John Dalli versteht man die Neuregelung ganz anders. Mit der Verordnung würden erst europaweit einheitliche Standards dafür geschaffen, wie Futtermittelproben auszuwerten sind. Die Kommission wollte ursprünglich sogar weitergehen und auch für Lebensmittel ähnliche Minimalausnahmen. Nun wird die EU abwarten und zunächst die Futtermittellösung evaluieren.

Die Agrarindustrie drängt ihrerseits seit Jahren auf die Lockerung und begrüßte daher den Entschluss. "Das Retourschicken von Futtermitteln kostet viel Geld", meint Alexander Döring, Chef des europäischen Verbandes der Mischfutterindustrie. Die Zulassung in der EU dauere im Schnitt doppelt so lange wie etwa in den USA, weswegen Europa von Märkten ausgeschlossen bleibe.

Österreichs Umschwung

Er nennt als Beispiel Maiskleberschrot: Das eiweißhaltige Produkt wird bei der Milch-Vieh-Fütterung eingesetzt. Jährlich wurden davon vier bis fünf Millionen Tonnen in die EU importiert. Seitdem 2007 die strikte Nulltoleranzpolitik bei Gentechnik-Pflanzen gilt, gebe es den Rohstoff in der Union so gut wie gar nicht. In der EU werden jährlich 50 Millionen Tonnen Futtermittel importiert.

Kritik gibt es aber auch an der Haltung des zuständigen Lebensmittelministeriums in Wien. Österreich habe bei den Diskussionen die Seiten gewechselt, und damit den Weg für die Einigung mitgeebnet. "Wir haben unter der Bedingung zugestimmt, dass strenge Messmethoden angewendet werden und ein Verfahren zur Zulassung bereits laufen muss", heißt es im Ministerium. Die 0,1 Prozentgrenze sei scharf genug, "0,0 Prozent ist praktisch nicht umsetzbar". Sofern das EU-Parlament die Verordnung nicht ablehnt, tritt sie in drei Monaten in Kraft. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 23.2.2011)