Wien - So weit wie beim Brennertunnel ist man beim neuen Semmeringbasistunnel zwar noch nicht. Probleme gibt es aber auch bei der Tunnelröhre zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag. Bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) stoßen die Tunnelbauer in Verkehrsministerium und ÖBB nämlich auf massiven Widerstand von Bürgerinitiativen.
Eine davon ist Alliance for Nature, die unter anderem das Weltkulturerbe Semmeringbahn erhalten und schützen will. Was die Alliance, die im UVP-Verfahren Parteienstellung hat, besonders stört: Es gibt Hinweise, die Zweifel an der Unbefangenheit der von der Eisenbahnbehörde im Verkehrsministerium berufenen Sachverständigen im UVP-Verfahren berechtigt erscheinen lassen.
So sind gemäß einer Sachverhaltsdarstellung des Ziviltechnikers und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Josef Lueger zahlreiche von der Eisenbahnbehörde berufene Gutachter im UVP-Verfahren gleichzeitig für die ÖBB tätig oder haben in der Vergangenheit Aufträge für die für den Bahnbau zuständige ÖBB-Infrastruktur-Bau-AG erbracht.
"Allein eine einfache Internetrecherche bringt folgende Ergebnisse: Bei vier von 23 UVP-Sachverständigen konnten Geschäftsverbindungen zur ÖBBausfindig gemacht werden" , schreibt Lueger in der Sachverhaltsdarstellung, die dem Standard vorliegt. Zweifel, ob ihre Unbefangenheit gewährleistet ist, gibt es bei weiteren acht von 15 Gutachtern, die auf ihren Homepages teils offenherzig von ihren Referenzprojekten und ÖBB-Aufträgen berichten.
So weist das Ziviltechnik-Büro Kordina ZT - Hans Kordina fungiert als Koordinator des UVP-Verfahrens im Auftrag des Verkehrsministeriums - auf seiner Homepage nicht nur eine Fülle von Aufträgen für das Ministerium aus, sondern auch einige der ÖBB-Infrastruktur AG, etwa einige Teilabschnitte des eisenbahnrechtlichen Verfahrens für den Koralmbahnausbau Graz-Klagenfurt.
Regelmäßig für die ÖBB tätig ist laut Internetseite auch die Axis Ingenieurleistugen ZT GmbH in Wien, deren geschäftsführender Gesellschafter Rudolf Wenny ebenfalls als UVP-Sachverständiger fungiert. Gleiches gilt für die ESW Constulting Wruss ZT des Michael Kochberger.
Lueger, er ist selbst Ziviltechniker, argwöhnt nun, dass die UVP-Behörde bei der Auswahl der Gutachter und Sachverständigen für das UVP-Verfahren nicht ausreichend Sorgfalt walten habe lassen. Denn: Sachverständige dürfen gemäß Eisenbahngesetz nur dann mit der Erstattung von Gutachten beauftragt werden, sofern sie nicht mit der Planung betraut waren oder sonstige Umstände vorliegen, die die Unbefangenheit oder Fachkunde in Zweifel ziehen. Im Verkehrsministerium weist man diese Befürchtungen zurück. Man habe alle Gutachter sorgfältig ausgewählt, es gebe keine Befangenheit. (ung, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.2.2011)