Josef Kalina: "Ziemlich scharfe Positionswechsel sind offenbar modern"

Foto: STANDARD/Corn

STANDARD: Herr Kalina, Sie waren Parteimanager der SPÖ, Sie waren Manager und Redakteur bei der "Krone", Sie führen jetzt eine PR-Beratung. Verstehen Sie die Welt noch?

Kalina: Aber sicher! Ich verstehe, dass Bürgermeister Michael Häupl sich vor Wahl bewusst mit der Ansage "Wehrpflicht abschaffen" an junge Wähler gewandt hat. Und die Krone hat sehr gerne ein Thema aufgegriffen hat, das vor allem junge Leute anspricht. Und der gesamten SPÖ war es sicher nicht unrecht, ein neues populäres Feld beackern zu können. Der Themenshift "Generalstabschef entlassen" ist strategisch schwer zu verstehen.

STANDARD: Die "Krone" fordert dazu auf, die Wehrpflicht zu verweigern - hätt's das unter Hans Dichand gegeben?

Kalina: Ziemlich scharfe Positionswechsel sind offenbar modern: Wenn sich die SPÖ nach Jahren des Abblockens endlich einem Freiwilligenheer annähert, switcht die ÖVP reflexartig von dort weg hin zur Hüterin der Wehrpflicht. Noch lustiger finde ich aber, dass Zeitungen wie STANDARD oder "Kurier", denen ich bis dahin viel eher zugetraut hätte, eine Quasi-Beratungsgeschichte "Wie drücke ich mich jetzt davor, im letzten Zwangsjahrgang einrücken zu müssen" ins Blatt zu heben, moralinsauer in Richtung "Krone" zeigen. Wer bei einer jungen, aufmüpfigen Zielgruppe so richtig altvaterisch ausschauen will, muss genau das tun. Ich kann direkt das schenkelklopfende Lachen aus der Muthgasse hören.

STANDARD: Hat sich die "Krone" nach Ihrer Beobachtung seit dem Tod von Hans Dichand verändert - und wenn, wie?

Kalina: Ich glaube schon. Die Arigona-Linie und die sehr kritische Berichterstattung, als die Innenministerin Kinder abschieben lassen wollte, waren deutliche Zeichen der Öffnung, hin zu einer jüngeren Zielgruppe und hin zur Gruppe der Zuwanderer. Das jung-freche Pandi-TV im Internet, das niemand ungeschoren lässt, ein weiteres. Wie in der gesamten bisherigen Geschichte der "Krone" geht das aber in kleinen Schritten, vorsichtig tastend vor sich. Die "Krone" liebt keine großen "Relaunches", weil auch die treuen älteren LeserInnen nicht verunsichert werden dürfen.

STANDARD: Die SPÖ, insbesondere Wien, orientiert sich ja schon ein paar Jahrzehnte stark am Kleinformat. Aber können Sie sich daran erinnern, dass sozialdemokratische Minister auf Zuruf der "Krone" Generäle oder hohe Beamte abgesetzt haben?

Kalina: Die Provokationen des Generals in einem "Profil"-Interview mit dessen Absetzung zu beantworten und ihn so zum Märtyrer zu machen, war ein kommunikationstechnischer Kapitalfehler. Spätestens angesichts der "Krone"-Schlagzeile hätte man erkennen müssen, dass man das keinesfalls so machen darf. Hat man aber seltsamerweise nicht. Alles andere ist schon wieder - allerdings selbstverschuldeter - Gegenspin.

STANDARD: Eine Faustformel für den Umgang mit der "Krone" könnte lauten: Sie hat immer nur soviel Macht, wie sich die Politik vor ihr fürchtet. Man könnte meinen: Die Furcht ist in diesen Jahren besonders ausgeprägt, vielleicht höher denn je. Wo würden Sie Furcht und Einfluss ansiedeln?

Kalina: Die "Krone" ist eine eigene Partei und lässt sich von niemandem auf Dauer instrumentalisieren. Kaum freut man sich, dass es den anderen trifft, schlägt das Pendel schon in die eigene Richtung aus. So war das immer. Worum es geht, ist doch, selbst Themen zu setzen. Dann steigen alle Medien ein. Sich auf ein Medium allein zu verlassen, geht heute einfach nicht mehr. Man muss seine Zielgruppen genau fokussieren und die Leute müssen spüren, dass eine Partei oder ein Politiker wirklich etwas will. So wie der Köder dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler, muss sich die Botschaft an die Zielgruppe richten und nicht an ein Medium. Die Kommentare rundherum beeinflussen die Leute viel weniger, als das die Journalisten gerne glauben wollen.

STANDARD: Sie waren auch schon ein paar Jahre im Aufsichtsrat des ORF - was hat man Ihnen denn für die eine oder andere Wahl versprochen, und was haben Sie bekommen?

Kalina: Nichts versprochen, nichts erhalten.

STANDARD: Sie sind jetzt PR-Berater. Muss ein ziemlich lässiger Job sein, lernt man nach Rumpolds nun bei Meischbergers und Hocheggers - ein paar Konzepte hier, ein, zwei Pressekonferenzen dort, ein bisschen Lobbying, und schon ist ein neuer Rolls drin oder eine kleine Villa.

Kalina: Tatsächlich ist mir bei der Lektüre der Honorarhöhen der genannten Herren kurz durch den Kopf geschossen, dass ich was falsch machen muss. Im Ernst: In 30 Jahren Journalist, Medienmanager, Pressesprecher und Politiker habe ich viel gelernt. Vor allem Geschichten spannend zu erzählen, Menschen zu verstehen, mit ihren vielfältigen Interessen und Ansichten und Bilder im Kopf zu erzeugen durch Sprache. Das ist etwas wert, ebenso wie ein breit gespanntes Netzwerk an Kontakten in Wirtschaft, Medien und Politik. Dass einige Ex-Buberln des blauen Reichsviertels offenbar weit über´s Ziel der Zulässigkeit geschossen haben, kann nichts daran ändern, dass meine MitarbeiterInnen und ich hart arbeiten und hochwertige Dienstleistungen zu marktkonformen Tarifen anbieten. So wie der allergrößte Teil der PR-Branche.

STANDARD: Was kostet denn, sagen wir, ein PR-Konzept bei Ihnen, wenn ich zum Beispiel Manager bei einem großen Telekombetrieb bin und ein bisschen weiterkommen will im Berufsleben?

Kalina: Sowas gibt es nicht von der Stange. Aber strategische Beratung von Managern sollte man nicht schlecht reden, wegen zugegeben unverschämter Auswüchse.

STANDARD: Die Agentur Hochegger soll ja zum Teil aus dem CAT-Budget für Dirty Campaigning unter Flughafenvorständen entlohnt worden sein - zählt das auch zu Ihrem Briefing?

Kalina: In der Realität bleibt von der Skandalgeschichte nichts übrig. Der CAT hat vor sieben Jahren zum Start eine PR-Agentur gebraucht, Hochegger gewählt und sechs Jahre für stinknormale Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt. Pro Jahr fiel dafür ein Bruttohonorar - also inklusive Inseratenkosten, Fotografen und all den anderen Fremdkosten sowie Umsatzsteuer - von rund 80.000 Euro an. Über Jahre können so schon 500.000 zusammenkommen. Aber die kann man halt nicht zusammensparen und 2010 für welche Kampagne auch immer einsetzen. Außerdem blieb der Agentur, die ja davon auch wieder Angestellte bezahlen musste, wie vorgerechnet, knapp mehr als 50 Prozent Honorar übrig. Also in dieser Ecke findet man keinen Skandal. Aber klar ist, dass sich mehrere Agenturen in Österreich gerade über Auftrage freuen, weil es Hochegger aus der Bahn geworfen hat.

STANDARD: Haben Sie auch schon ein paar Staaten mit zweifelhaften demokratischen Standards auf der Kundenliste, oder überlassen Sie das noch länger etablierten Kollegen?

Kalina: Mit großer Bewunderung habe ich schon vor Jahren erlebt, wie Kollegen aus Amerika - egal ob Demokraten oder Republikaner .- nach erfolgreichen Wahlen ihr Knowhow weltweit noch in den entlegensten Winkeln vermarkten konnten. Ich hätte dar gar keine Berührungsängste solange es für mich nachvollziehbar in Richtung Demokratie, Menschenrechte und friedvolle Entwicklung geht. Also: Interessenten bitte melden! (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 22.2.2011/Langfassung)