Rabat - Bei den ersten Demonstrationen in Marokko seit Beginn der Massenproteste in weiten Teilen der arabischen Welt sind am Montag mindestens fünf Menschen getötet worden. In einem Ort im Norden des Landes seien in einem Bankgebäude fünf Leichen gefunden worden, teilte das Innenministerium mit. Eine Bankfiliale in Hoceima sei am Rande der Demonstrationen angezündet worden, die Leichen seien völlig verkohlt. 128 Menschen wurden nach amtlichen Angaben bei den Protesten am Sonntag verletzt, die meisten von ihnen Sicherheitsbeamte. 120 Personen wurden festgenommen. In mehreren Städten wurden Banken, Geschäfte, öffentliche Gebäude und Autos beschädigt. Die Kundgebungen seien aber überwiegend friedlich verlaufen, so das Innenministerium. König Mohammed VI. betonte am Montag, dass er nicht bereit sei, Forderungen von "Demagogen" nachzugeben.

Wie die staatliche Presseagentur MAP am Abend meldete, sprach der König anlässlich der Einsetzung neuer Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialrates, eines Beratergremiums. Der Aufbau der Demokratie müsse Hand in Hand mit einer nachhaltigen menschlichen Entwicklung gehen, wurde der Monarch zitiert. Die Opposition hat grundlegende demokratische Veränderungen und eine Gewaltenteilung gefordert. Die Demonstranten hatten eine Beschränkung der Macht der Krone, die Auflösung der Regierung und ein entschlossenes Vorgehen gegen Korruption verlangt.

In vier Städten kam es in der Nacht auf Montag zu Ausschreitungen. In Marrakesch, Tanger, Larache und Al-Hoceima setzten junge Leute Autos in Brand, plünderten Geschäfte und griffen Parteibüros an. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Randalierer vor. Mehrere Gewalttäter seien festgenommen worden, hieß es. Zuvor hatten Tausende Marokkaner in fast 20 Städten des Landes friedlich für einen demokratischen Wandel demonstriert. Zu den Kundgebungen hatten  Bürgerinitiativen und Jugendgruppen aufgerufen. Die Veranstalter verurteilten die Ausschreitungen. Sie wollen in nächster Zeit an jedem Abend Sitzstreiks vor dem Parlament in Rabat abhalten.

Die marokkanische Islamisten-Bewegung "Gerechtigkeit und Wohlfahrt" hat nach den Volksaufständen in Tunesien und Ägypten zu einem "dringenden demokratischen Wandel" aufgerufen, um "Mechanismen festzulegen, die das Ende der autokratischen Herrschaft" in dem nordafrikanischen Königreich herbeiführen sollen. Die Bewegung "Gerechtigkeit und Wohlfahrt" soll 40.000 Mitglieder zählen, doch wird ihre Anhängerschaft auf über 200.000 geschätzt. Höchste Autorität ist der 83-jährige Abdessalam Yassine, ein ehemaliger Schulinspektor, der stark von der Mystik des Sufismus beeinflusst sein soll. Das marokkanische Regierungssystem sei "benalisiert" (Anspielung auf den tunesischen Ex-Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali) und bedürfe einer tiefgreifenden Reform, um den verfassungsmäßigen Institutionen Glaubwürdigkeit zu geben, hieß es in einem Appell der Islamisten-Bewegung. (APA/Reuters/AFP)