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Flüchtlinge in einem Lager in Kyprinos am Evros: Der Frontex-Einsatz endet bald, die Probleme der Menschen bleiben

Foto. EPA/Arvantidis

Morgens um acht ist immer Lagebesprechung in der kleinen Hotellobby. Die Ärzte ohne Grenzen in Soufli, einer Kleinstadt an der griechisch-türkischen Grenze, bereden den neuen Tag. Der alte Horror in den Aufnahmelagern ist das Thema, wo die humanitären Helfer anstelle des griechischen Staats eingesprungen sind. Aber auch die anstehende Ablösung durch Mediziner aus den Behörden. "Wir ermuntern das Gesundheitsministerium, die Aufgabe unter geeigneten Bedingungen zu übernehmen", sagt später Thanasis Spyratos, der Einsatzleiter der Ärzte ohne Grenzen am Oberlauf des Grenzflusses Evros, kündigt aber gleich an: "Wir werden ihre Arbeit beobachten, und wenn es nötig ist, bleiben wir."

Die Zweifel am Vermögen der griechischen Behörden nach der Kapitulation vor der Flüchtlingswelle im vergangenen Jahr sind immer noch groß. Besucher der vier Flüchtlingslager im Grenzgebiet haben einen schwerwiegenden Begriff für das, was sie dort sehen: "passive Folter". Überall sonst in Europa mache sich jeder strafbar, der einen Hund auf weniger als einem halben Quadratmeter Platz wochen- und monatelang einpferche, sagen sie. In der Evros-Region macht der griechische Staat das mit Menschen.

Vier Monate ist es her, dass Athen die anderen EU-Staaten in einem dramatischen Appell um Hilfe gebeten hat, weil Polizei und Militär mit bis zu 400 aufgegriffenen Flüchtlingen am Tag völlig überfordert waren. Offiziell endet die Mission der EU-Grenzschutzbehörde Frontex am Evros Anfang März. Der Einsatz an der derzeit wichtigsten Route illegaler Immigranten in die EU gilt als Erfolg. Kaum mehr als 15 Flüchtlinge am Tag stellen die Grenzschützer nun im Winter am Oberlauf des Evros.

Neuer Kontrakt mit Frontex 

Die Regierung hat eine neue Vereinbarung mit Frontex getroffen: Der Einsatz der rasch aufgestellten Truppe von 200 Grenzschützern wird eine dauerhafte gemeinsame Operation mit der griechischen Polizei. Es ist ein Schritt, mit dem Athen die Kontrolle in der Flüchtlingskrise zurückgewinnen will.

Die Aufnahmelager sind weiter völlig überfüllt, wie auch die griechische Polizei zugibt. Von der neuen Asylbehörde, deren Gründung das Parlament Anfang Jänner beschlossen hat, um schneller über Flüchtlingsfälle zu entscheiden, ist noch nichts zu sehen.

Etwa 1000 Flüchtlinge aus Afrika und Asien stecken derzeit in den vier Lagern. Nur eines ist tatsächlich für die Aufnahme von Immigranten umgebaut worden, die anderen sind einfache Wachgebäude der Grenzpolizei, in denen Platz für 35 Menschen wäre - jetzt sind es dort fünfmal mehr. Die Spannungen in den Gefängnissen sind groß. Banden hätten sich gebildet, berichtet Spyratos von Ärzte ohne Grenzen, die Schlafplätze und Essen für Geld an die anderen Insassen verkaufen. Die griechischen Polizeibeamten schieben das Essen nur durch die Zellentüren und überlassen den Flüchtlingen die Verteilung. Freigang gibt es nicht. Zwei Ausbruchsversuche haben die Flüchtlinge unternommen, den jüngsten Anfang des Monats. Die Polizisten waren dafür bestraft worden. Seitdem bleiben die Zellen erst recht geschlossen.

In Orestiada, der größten Stadt an der Grenze, will die Regierung nun ein großes Gebäude renovieren lassen, das Platz für 3000 Insassen bieten soll. Die Bevölkerung wehrt sich dagegen - wie auch gegen den geplanten Zaun an der Grenze und ein Gefängnisboot, das vor Alexandroupolis ankern sollte, der Hauptstadt der Provinz. Bürgermeister und Bischof lehnten beides als unmenschlich ab. (Markus Bernath, DER STANDARD Printausgabe, 21.2.2011)

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