Die Wirtschaftswissenschaften suchen vermehrt nach möglichen positiven ökonomischen Effekten der Gleichstellung von Frauen und Männern. Das ist ein Fortschritt. Es mehren sich beispielsweise die empirischen Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen Gleichstellungs- und familienfreundlichen Maßnahmen im Unternehmen und dem Erfolg desselben.

Diverse Unternehmensberatungen haben herausgefunden, dass Unternehmen mit einem Mindestanteil von Frauen in Top-Positionen erfolgreicher sind - gemessen an verschiedenen betriebswirtschaftlichen Kriterien wie Motivation oder Innovation, aber auch hinsichtlich finanzieller Kennzahlen wie Gewinn oder Aktienkursentwicklung. Andere Studien zeigen, dass das Innovationspotenzial von Unternehmen mit dem Frauenanteil im Team steigt. Modellsimulationen legen auch positive gesamtwirtschaftliche Wirkungen einer verbesserten Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben nahe.

Während also die traditionellen Wirtschaftswissenschaften zunehmend für die auch ökonomisch zu begründende Sinnhaftigkeit der Gleichstellung der Geschlechter sensibilisiert sind, gilt das für die neue "Jenseits-des-Wirtschaftswachstums"-Bewegung nur bedingt. Ausgangspunkt dieser Bewegung ist der 2009 vorgelegte Bericht der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission zur Messung von Wirtschaftsleistung und sozialem Fortschritt. Dieser hat eine breite Diskussion über die Grenzen der traditionellen Wohlstandsmessung ausgelöst. Der Bericht identifiziert acht Dimensionen für gutes Leben: Materieller Lebensstandard, Gesundheit, Bildung, persönliche Aktivitäten, politische Mitbestimmung, Beziehungen, soziales Umfeld, Umweltbedingungen, wirtschaftliche und physische Sicherheit. In all diesen Bereichen gibt es noch immer Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern.

Viele Punkte, die die Kommission als zentral für eine nachhaltigere Wirtschaftsentwicklung nennt, hätten unmittelbar Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern: etwa die stärkere Berücksichtigung von Aktivitäten außerhalb des Marktes oder des Verhältnisses von Erwerbs- und unbezahlter Arbeit sowie Freizeit, die Verteilung von Einkommen, Konsum und Vermögen. Umso erstaunlicher ist, dass Gender-Aspekte keine besonders prominente Rolle im Bericht spielen. Das mag damit zusammenhängen, dass unter den 25 Kommissionsmitgliedern nur zwei Frauen waren. Dass sich Frauen stärker an der Arbeit über Zukunftskonzepte beteiligen und dass dort Gleichstellungsaspekte mehr berücksichtigt werden, ist jedenfalls eine entscheidende Erfolgsbedingung für ein Umsteuern hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19./20.2.2011)