Von Dior zur Arco: 2010 präsentierte Anya Zholud ihre stählernen Alltagsobjekte in Paris. In Madrid warten sie bei Galerie Aidan nun für je 8000 Euro auf neue Besitzer.

Foto: Aidan Gallery

Den Herren fehlen die Köpfe. Mit einem einfachen Riss hat der Künstler Fran Maena Gruppenfotos von Politikern enthauptet. Eine Linie von D nach D nennt der junge Spanier die aufgereihten Regierungsfotos von der Franco-Diktatur bis zur Demokratie. Sie erinnern an vier Jahrzehnte, in denen der Staat moderne Kunst mehr duldete als wünschte. Wenige Jahre nach Francos Tod gehörte zur Gründung der Arco eine gehörige Portion Mut: Trotz Sammlermangels verhalfen couragierte Galeristinnen wie Juana de Aizpuru ab 1982 "ihrer" Messe zum Durchbruch. Mit bis zu 200.000 Gästen gilt die Arco heute als meistbesuchter Event seiner Art.

Internationale Mehrheit

Die Jubiläumsausgabe (16. bis 20. 2. 2011) brauchte dennoch einen Relaunch: Mit dem Einbruch der Immobilienbranche blieben 2009 und 2010 viele Stammkunden fern; ausländische Topgalerien hatte die Arco schon davor verloren. Der neue Leiter Carlos Urroz ließ nun Köpfe rollen. Er sortierte fast dreißig lokale Galerien wegen mangelnder Qualität aus und hob die internationalen Teilnehmer erstmals auf sechzig Prozent. Die vielen eingeflogenen Kunstsammler, dieses Jahr auch mit dem neuen Nachwuchsprogramm "First Collectors", profitierten von dem besseren Überblick in nur zwei anstatt drei Messehallen. Die Wahl auf den Länderschwerpunkt Russland fiel nicht ohne Kalkül: Es ist ein offenes Geheimnis, dass die acht Galerien eingeladen wurden, um ihre Klientel mitzuziehen. Die Moskauer Kunstmarktpioniere Guelman, XL und Aidan zeigen ein konzeptlastiges, preislich moderates Programm, das allen Klischees russischer Protzigkeit widerspricht.

Dass aber auch höchste Reduktion ein Luxus ist, beweist die 1981 geborene Anya Zholud bei Aidan: Ihre 8000 Euro teuren Stahlarbeiten formen die Konturen von Alltagsobjekten nach und wurden 2010 von Dior ausgestellt. Das Highlight bildet der Stand der Sankt Petersburger Galerie Marina Gisich, die Malerei des wiederentdeckten "Nekrorealismus" zeigt, einer Strömung der Leningrader 80er-Jahre. Unter den Jungen begeisterte Marina Alexeeva, deren raffinierte Videoboxen mit Hologrammeffekten zu Besucherschlangen führten (je 6000).

Die russische und die spanische Kunstszene verbindet, dass sie viel Unterstützung von privaten Stiftungen erhalten. Die Moskauer Förderprogramme mit milliardenschwerem Background wie das Kulturzentrum Garage von Roman Abramovichs Freundin Dasha Zukhova, die Stella Art Foundation oder die Ekaterina Cultural Foundation konnten ihre Tätigkeiten enttäuschenderweise aber nur auf kleinen Infoständen präsentieren.

Der zweite, mehr als schwache Messefokus auf Lateinamerika bestätigte das Gerücht, dass die Galeristen aus Argentinien, Mexiko und Co lieber auf die Art Basel Miami Beach als auf die Arco fahren. Hätte die Messe doch lieber die zehn österreichischen Galerien ins Rampenlicht gerückt. So zählt der Stand, den die Galeristinnen Charim, König und Senn mit neuen Fototapeten von Elfie Semotan gestaltet haben, zu den aufwändigsten und besten der Arco. Rosemarie Schwarzwälder spannt Installationskunst von Manfred Pernice, Polly Apfelbaum und Jessica Stockholder wahrhaft kompositorisch zusammen, und an Georg Kargls Stand gibt mit Bernhard Leitner ein Pionier der Klangkunst sein Messedebüt. Mit einer Überfülle an Eyecatchern - davon etliche aus spanischen Ateliers - lockte Mario Mauroner. "Der spanische Markt ist wieder tragfähig", bestätigte der Salzburger, der wie seine Kollegen gut verkaufte. Nach den dürren Jahren ist der Optimismus in die Köpfe zurückgekehrt. (Nicole Scheyerer, DER STANDARD/ALBUM - Printausgabe, 19./20. Februar 2011)