Bild nicht mehr verfügbar.

Auch am Programm: die zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten.

APA-FOTO: GERT EGGENBERGER

Wien - Eine Reihe brisanter Causen beschäftigen den Verfassungsgerichtshof (VfGH) in der bevorstehenden Session (21. Februar bis 12. März) - von den Kärntner Ortstafeln über das E-Voting bei der ÖH-Wahl 2009, die Kreuze in den niederösterreichischen Kindergärten, Kindergeld-Zuschuss-Rückzahlungen und die Kosten von Fliegerbombenbergungen bis zur Stiftungssteuer (siehe WI-Meldung) reicht der Bogen. Mit Entscheidungen ist in der Regel in den Wochen nach der Session zu rechnen.

Zweisprachige Ortstafeln

Während in Kärnten um eine politische Lösung gerungen wird, prüft der VfGH für zwölf weitere Orte, ob zweisprachige Ortstafeln geboten sind. Ausgehend von Beschwerden gegen Schnellfahren-Strafen hat der Gerichtshof im Herbst 2010 Verordnungsprüfungsverfahren für Hart, Gösselsdorf, Lauchenholz, Gablern, Sittersdorf, Edling, Frög, Bad Eisenkappel, Loibach, Mökriach, St. Primus und Eberndorf beschlossen. In zehn Fällen hat LH Gerhard Dörfler (FPK) schon signalisiert, einzulenken, aber für Hart und Frög lehnt er zweisprachige Tafeln ab. Denn er stellt auf die Gemeinde ab, während für den VfGH der Anteil slowenischsprachiger Bürger im Ort maßgeblich ist.

Zuschuss zum Kindergeld

Verfassungsrechtliche Zweifel haben die Höchstrichter auch gegen die Verpflichtung getrenntlebender Väter, einen von der Mutter bezogenen Zuschuss zum Kindergeld zurückzuzahlen. Zwölf Beschwerdeführer haben solche Rückforderungen bekämpft, der VfGH hat ein Gesetzesprüfungsverfahren aufgenommen. Ein (auch zu Recht bezogener) Zuschuss war bis Anfang 2010 nämlich zurückzuzahlen, wenn zwar die Mutter unter der Zuverdienstgrenze blieb, der Vater aber mehr verdiente. Im Prüfbeschluss bezweifelten die Höchstrichter die "sachliche Rechtfertigung" dieser Regelung.

Bleiberecht

Ebenfalls als "verfassungsrechtlich bedenklich" erachten die Verfassungsrichter eine - mit der Beschwerde eines Türken an den Gerichtshof gebrachte - Bestimmung zum Bleiberechts-Verfahren. Es geht um die (seit 1.1.2010 geltende) Regelung im Niederlassungsgesetz, wonach ein Verfahren über einen humanitären Aufenthalt als eingestellt gilt, wenn ein Antragsteller Österreich verlässt - auch dann, wenn er ungerechtfertigt abgeschoben wird. Die Regierung hat diese Regelung in ihrer Stellungnahme verteidigt, in der Session wird nun beraten, ob sie tatsächlich verfassungswidrig ist.

E-Voting bei ÖH-Wahl

Kurz vor der nächsten ÖH-Wahl (24. bis 26. Mai) befasst sich der VfGH mit dem beim Urnengang 2009 erstmals eingesetzten E-Voting. Große aktuelle Auswirkungen wird die Entscheidung nicht haben, denn es steht schon fest, dass die elektronische Stimmabgabe heuer nicht möglich ist. Dem VfGH liegen aber Beschwerden mehrere wahlwerbender Gruppen (u.a. der GRAS) zur vorigen Wahl vor. Er wird auch zu beurteilen haben, ob die in der Verfassung festgelegten Grundsätze für Wahlen auch für ÖH-Wahlen gelten.

Fliegerbomben

Einen langen Rechtsstreit beenden könnte die Entscheidung des VfGH in Sachen Fliegerbomben. Denn die Stadt Salzburg fordert seit siebeneinhalb Jahren vom Bund die Kosten von rund 850.000 Euro für das Freilegen dreier Bomben. Zuletzt hatte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) für unzuständig erklärt, seit Frühjahr 2009 liegt die Causa beim VfGH. Dieser hat im Vorverfahren u.a. alle neun Landesregierungen befragt. Der Rechtsstreit ist brisant, weil österreichweit geschätzt 15.000 Fliegerbomben in der Erde schlummern. Suche und Bergung kosten im Schnitt rund 200.000 Euro, der Bund sah sich bisher nur für Entschärfung und Abtransport zuständig.

Unrechtmäßige Einreise

Die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS) Vorarlberg und Steiermark haben die im Fremdenpolizeigesetz vorgesehene Mindeststrafe von 1.000 Euro (bzw. bis zu drei Wochen Freiheitsstrafe) bei unrechtmäßiger Einreise bzw. Aufenthalt vor den VfGH gebracht. Sie erachten diese Regelung für verfassungswidrig, weil sie keinen Spielraum zulasse. So werde auf Fälle mit "geringem Unrechtsgehalt" - wie z.B. die Einreise eines EWR-Bürgers ohne gültigen Pass - keine Rücksicht genommen.

Kreuz im Kindergarten

In der Session werden überdies die Beratungen zu zwei weiteren Verfahren fortgesetzt: Wieder auf der Tagesordnung steht die Beschwerde eines atheistischen Vaters gegen das im Kindergarten der Tochter angebrachte Kreuz. Er bekämpft die Bestimmung des NÖ Kindergartengesetzes, wonach ein Kruzifix anzubringen ist, wenn die Mehrheit der Kinder einem christlichen Religionsbekenntnis angehört. Eine weitere öffentliche Verhandlung gibt es (am 3. März um 10.30 Uhr) zur Klage des Landes Tirol gegen den Bund wegen des "klinischen Mehraufwandes" für Krankenanstalten, die auch Unikliniken sind. 

Stiftungseingangssteuer

Der VfGH widmet sich in der bevorstehenden Sessionauch der Frage, ob die Stiftungseingangssteuer verfassungskonform berechnet wird. Nach Schenkungs- und Erbschaftssteuer droht auch deren Aufhebung: Im Gesetzesprüfungsbeschluss äußerten die Höchstrichter im Herbst 2010 Bedenken, weil die Stiftungssteuer für Grundstücke nach den veralteten Einheitswerten berechnet wird. Mit einer Entscheidung ist im ersten Halbjahr 2011 zu rechnen. (APA)