Wien - Wenn man einen gemeinsamen Nenner für jene drei Stücke finden müsste, die Semyon Bychkow für eine Musikvereins-Veranstaltung mit den Wiener Philharmonikern angesetzt hatte, könnte es ihre Janusköpfigkeit sein: Schuberts 2. Symphonie ist noch ganz in den klassischen Formen verwurzelt, bricht aber harmonisch und in der Gestaltung der musikalischen Zeit aus ihnen aus.

Wagners Tristan gilt insgesamt als Wegmarke bei der Auflösung der Tonalität, bindet seine übersteigerte Spannung aber dennoch metaphysisch und kompositionstechnisch in Erlösung beziehungsweise Auflösung zurück. Und so aufgeklärt und antiromantisch Bartóks Haltung auch war: Die Konzertsuite Der wunderbare Mandarin führt in eine Märchenwelt voller fantastischem Zauber.

Freilich sind die drei Werke ansonsten denkbar weit voneinander entfernt. Sie an einem Abend zu spielen bedeutet nicht nur ein potenzielles Problem für die dramaturgische Schlüssigkeit, sondern auch eine Herausforderung für Dirigent und Orchester, sich auf die jeweiligen Klangwelten einzustellen.

Beides war am Mittwoch ganz offenbar keinerlei Schwierigkeit: Bei Schubert gestaltete der vielseitige gebürtige Russe eine verhältnismäßig raue klangliche Oberfläche, unter der der samtige Sound der Philharmoniker freilich nicht eine Sekunde litt. Zugleich bewiesen Klangkörper und Leiter langen Atem für ausgedehnte, mit Akzenten durchsetzte, dabei jedoch elastische Bögen.

Auf die Spitze getrieben wurde solch gemeinsames Atmen beim nicht ganz wackelfreien Vorspiel zu Tristan und Isolde und noch weit mehr bei Isoldes Liebestod, wo Bychkow noch nebenbei die Kunst demonstrierte, die Spannung des Publikums nach dem Schluss eine gefühlte Ewig- keit lang aufrechtzuerhalten - erstaunlicherweise auch bei Béla Bartók.

Hier sorgte das Orchester für vielfarbige Plastizität und delikat gesungene Linien. Wo nötig, spielte es freilich auch so durchgepeitscht, dass es kaum glaublich war, dass derselbe Klangkörper sich gerade noch in Wagners unendlichem Gesang ergangen hatte. (Daniel Ender/ DER STANDARD, Printausgabe, 18.2.2011)