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Die Sonne ist Hauptlieferant der in der Ökostadt Masdar benötigten Energie. Windtürme sorgen für ein angenehmeres Klima.

Foto: Kamran Jebreili/AP/dapd

In Masdar City, der Ökostadt in den Emiraten, wird getestet, wie Leben auch unter extremen Bedingungen mit wenig Energie möglich ist

Größer könnte der Kontrast kaum sein. Auf dem von Solarleuchten umrahmten Parkplatz vor der Einfahrt in die Ökostadt Masdar nimmt das Gefährt fast zwei Stellplätze ein. So breit ist der Geländewagen in Gelb, Marke Hummer. Die Autoreifen, die er aufgezogen hat, würden auch einem Bagger gut anstehen. Die Menge an Sprit, die er verbraucht, wohl auch. Das ist die eine Seite von Abu Dhabi, der Hauptstadt des gleichnamigen Emirats am persischen Golf.

Die andere Seite, abgeschirmt und eingefasst von einem 2,5 Meter hohen Blechzaun, beginnt dahinter. Dort wächst seit drei Jahren die Zwillingsstadt von Abu Dhabi, Masdar City, aus dem Wüstensand. Masdar kommt aus dem Arabischen und heißt soviel wie Ursprung, Quelle. Den mit Erdöl reich gewordenen Scheichs ist es Synonym für einen Neuanfang. Hier sollen die Fundamente gelegt werden für die Zeit nach dem Öl.

"Masdar City ist Teil der Vision von Abu Dhabi, bis 2030 den Umstieg in eine wissensbasierte Ökonomie zu schaffen", erläutert der Direktor der Ökostadt, Alan Frost, dem Standard (Interview S. 19). Am Reißbrett geplant, soll dies die erste Stadt werden, die mit dereinst 40.000 Einwohnern und etwa 50.000 Tagespendlern klimaneutral funktionieren soll. Dafür werden keine Mühen gescheut. Nur das Beste ist gut genug für die Auftraggeber, die zwar unterschiedliche Namen tragen, letztlich aber alle dem Herrscher von Abu Dhabi, Scheich Chalifa bin Zyanid Al Nahyan, unterstehen.

Noch gibt es nicht sehr viel zu sehen in der Stadt, die von einem Team um den britischen Architekten Sir Norman Foster konzipiert wurde. Daran ist nicht zuletzt die Wirtschaftskrise schuld. Das Nachbar-Emirat Dubai war auf milliardenschwere Hilfe aus Abu Dhabi angewiesen. Abu Dhabi ist vorsichtig geworden. Weil die Immobilienpreise verfallen sind, sei die Kalkulation für Masdar schwieriger, hört man hinter vorgehaltener Hand. "Wir passen uns an die Marktgegebenheiten an", sagt Masdar-Direktor Frost.

Ursprünglich hätte die sechs km2 umfassende Fläche nahe des Flughafens von Abu Dhabi bis 2016 total verbaut sein sollen. Das verschiebt sich nun wohl bis 2025.

Jürgen Häpp, der für Foster und Partners arbeitet, findet es dennoch "sensationell, was hier möglich ist." Gerade hat er eine Gruppe von Besuchern durch den aus sechs Gebäuden bestehenden Komplex des Masdar-Instituts gelotst. Diese Ausbildungs- und Forschungseinrichtung, die in Zusammenarbeit mit dem Massachusetts Institute of Technology aus dem Boden gestampft wurde, wird derzeit von rund 200 Studenten frequentiert; etwa die Hälfte lebt hier.

"Hier schlägt das Herz", sagt Häpp, hebt die Hand und lässt sie kreisen. "Als wir diesen Komplex zu planen begonnen haben, war das ein Testfall für die ganze Stadt." Anders als bei herkömmlichem Städtebau habe man hier die Chance und den Ehrgeiz, ständig dazuzulernen.

Sir Norman, architektonisches Mastermind hinter Masdar City, hat sich in alte arabische Bauweisen vertieft, bevor er seine Ideen für die CO2-freie Stadt zu Papier brachte. Ins Auge stechen die engen Gassen und verschachtelten Häuser mit kleinen Fenstern, die sich gegenseitig Schatten spenden. "Es geht darum, von Haus aus den Energiebedarf zu senken. Die Kilowatt, die benötigt werden, holen wir aus der Sonne und anderen regenerativen Quellen", erläutert Masdar-Direktor Frost die Philosophie hinter dem knapp 20 Milliarden Dollar teuren Projekt.

Im Moment geht die Rechnung auf, in der Stadt wird mehr Energie erzeugt als verbraucht. Auf den Dächern des Masdar-Instituts sind Fotovoltaikmodule mit einem Megawatt (MW) Nennleistung installiert. Damit werden 30 Prozent der im Institut benötigten Energie abgedeckt. Den Rest steuert ein Solarkraftwerk bei, das mit zehn MW den Großteil seiner Stromproduktion zurzeit noch in das öffentliche Netz einspeist.

An mehreren Orten werden Module getestet. Ein Parabolspiegel fängt Sonnenlicht ein, bringt Wasser zum Dampfen. Der Dampf wiederum treibt einen Generator an.

Ein 40 Meter hoher Windturm sorgt derweil für Luftzirkulation. Dies und die Tatsache, dass die Sonne durch architektonische Finessen weitgehend ferngehalten wird, drückt die Außentemperatur in Masdar im Sommer um bis zu 20 Grad – verglichen mit Abu Dhabi. Häpp: "Statt 70 Grad hat es hier dann angenehme 50 Grad".

Nicht nur die vergleichsweise angenehmen Temperaturen bringen es mit sich, dass sich Weltkonzerne wie Siemens, Bayer oder 3M in Masdar engagieren. "Das hier ist der perfekte Ort, unser erstes Ecomagination Center zu errichten", sagt Nabel Habayeb, bei General Electric (GE) für den Nahen Osten und Afrika zuständig.

Ecomagination ist die Hülle, in der GE jüngst seine Umweltaktivitäten gebündelt hat. "Wir sehen hier großartige Möglichkeiten, unser Set an Technologien unter extremen Bedingungen zu erproben und weiterzuentwickeln." Der US-Mischkonzern war das erste Unternehmen, das mit Masdar eine Kooperation vereinbart hat.

"Wir haben gelernt, dass wir nicht alles allein schaffen, wir brauchen Partner", sagt Masdar-Direktor Frost. Er hofft, dass der Funken einmal überspringt.

Außerhalb des Bauzauns ist es mit Ökologie nicht weit her. Abu Dhabi ist eine riesige Baustelle. Kräne versperren die Sicht. Sie hieven Glasplatte um Glasplatte in die Höhe, die von pakistanischen Bauarbeitern festgekittet werden. Diese Türme müssen mit viel Energie heruntergekühlt werden.

Der Graben zwischen Anspruch und Wirklichkeit in den Emiraten ist nach wie vor immens breit. (Günther Strobl aus Abu Dhabi/DER STANDARD, Printausgabe, 17.2.2011)