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Der Letzigrund ist zu groß, zu teuer, zu stimmungslos.

Foto: EPA

Es ist, als ob Rapid seine Heimspiele künftig in Amstetten oder Krems austragen müsste. Was im Fall von Rapid eher unvorstellbar erscheint, wird in der Schweiz Wirklichkeit: Der traditionsreiche Grasshopper-Club Zürich (GC), mit 27 Titeln klarer Rekordmeister, hat angekündigt, dass er Ende der Saison die Stadt Zürich verlassen wird und ein neues Zuhause sucht - in der tiefsten Fußballprovinz. Statt im EURO-08-erprobten Zürcher Letzigrund-Stadion wird der GC künftig auf dem Aarauer Brügglifeld oder im Gersag-Stadion in Emmenbrücke kicken, 50 Kilometer außerhalb der Stadt.

Es ist ein neuer Tiefpunkt in der Geschichte des Niedergangs des über Jahrzehnte stolzesten und finanzstärksten Schweizer Fußballvereins. 2003 holten die "Heuschrecken" in den blau-weißen Dressen den bisher letzten Titel. Seither haben der Stadtrivale FC Zürich (FCZ) und der FC Basel die Meisterehren unter sich aufgeteilt, hat der ehemalige Arbeiterklub FCZ den vornehmen GC überrundet. Die Mannschaft von Trainer Ciriaco Sforza turnt in den Niederungen der Tabelle herum, trug diese Saison längere Zeit die rote Laterne. Während beim FCZ durchschnittlich 11.000 Zuschauer dabei sind, lockt GC nur 6500 an. Am vergangenen Sonntag erlebten 4800 Unentwegte ein tristes 0:0 gegen den FC Thun.

"Stellen Sie sich vor: GC spielt nicht mehr in Zürich, und keiner merkt es ..." war denn auch als hämischer Kommentar in der Online-Ausgabe des Tagesanzeiger zu lesen. Zum Zerwürfnis zwischen der Stadt Zürich und dem Grasshopper-Club ist es gekommen, weil GC seit Jahren, seit dem Abriss des veralteten Hardturm-Stadions, vergeblich auf den Neubau eines reinen Fußballstadions drängt. Verschiedene Neubauprojekte im Hinblick auf die Euro 08 scheiterten am Widerstand der Anwohner, aus Geldmangel oder wegen zu langer Planungsfristen.

Nun spielen die Grasshoppers, wie auch der FC Zürich, vorübergehend im stadteigenen Leichtathletik-Stadion Letzigrund, das mit 26.000 Plätzen viel zu groß ist und in dem wegen der Laufbahn keine Stimmung aufkommen will. Beide Vereine beklagen, dass sie der Stadt zu viel für Stadionmiete und Sicherheit bezahlen müssen - und dass sie zu wenig Unterstützung bekämen, etwa für die Nachwuchsarbeit.

Denn die Stadt Zürich muss jeden Franken zweimal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben kann. Doch während der FC Zürich mit diesen Belastungen gerade noch leben kann, ist GC finanziell am Anschlag. Der Verein, der früher bei der steinreichen Oberklasse vom Zürichberg solide verankert war und bei dem die Großen der Finanzbranche als Sponsoren und als Vorstandsmitglieder mitmachten, muss jetzt Jahr für Jahr von neuem auf Gönnersuche gehen. Doch ob der Auszug aus Zürich die Rettung bringt?

Die Neue Zürcher Zeitung warnt jedenfalls: "Der Grasshopper-Club setzt seine Identität aufs Spiel. Für einen im Selbstverständnis angeschlagenen Klub wie ihn ist das existenzbedrohend." Mit dem Auszug aus der Stadt Zürich, ihrer Heimat seit 125 Jahren, bezahlten die Grasshoppers "einen zu hohen emotionalen Preis". (Klaus Bonanomi aus Zürich, DER STANDARD Printausgabe 17.02.2011)