Wien - "Die Bürger werden dazu erzogen, lieber wegzuschauen" : Auch der Hausarzt Erwin Rasinger kritisiert die "zu restriktive Praxis" der Krankenkassen bei der Verrechnung von Rettungsfahrten (siehe Artikel links): "Wer einmal gezahlt hat, weil er die Rettung gerufen hat, ist beim zweiten Mal vorsichtiger. Das mag in 98 Fällen glimpflich ausgehen - aber was ist mit den restlichen zwei?" Obendrein gehe es für die Kassen um "lächerliche Summen" .

Auch aus anderem Anlass ärgert sich Rasinger, dass Gesundheitspolitik vorwiegend nur mehr "aus ökonomischer Sicht" betrieben wer-de. Der ÖVP-Gesundheitssprecher stimmt in den allgemeinen Jubel über das Bilanzplus der Krankenkassen nicht ein - und widerspricht Hans-Jörg Schelling, dem Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, der den Überschuss keinesfalls für den Ausbau von Leistungen verwenden will. "Es gibt Lücken in der Versorgung, um die sich die Kassen kümmern müssen" , sagt Rasinger: "Etwa fehlen Therapieangebote und ambulant tätige Psychiater für Kinder." Blieben Investitionen aus, würden die Patienten in die teuren Spitäler oder in den Privatbereich gedrängt: "Dann gibt es wirklich eine Zwei-Klassen-Medizin."

Geld für Straßenbau statt für Medizin

Das Bekenntnis von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) zum Ausbau der Leistungen reicht Rasinger nicht: "Er muss die Lücken und Ziele konkret benennen." Es könne nicht sein, dass für den Bau von Straßen und Tunnels Geld da sei, nicht aber für die medizinische Versorgung: "Sonst tritt die Gesundheitspolitik ab."

Ähnliches will die Ärztekammer: Nach "Jahren des Stillstands" müssten die Kassen die Leistungen auszubauen - "schließlich sind sie keine Sparkassen" . (jo, DER STANDARD-Printausgabe, 17.2.2011)