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Ötzi auf einem Archivbild aus dem Jahr 1991 - Stickstoff soll die Gletschermumie künftig konservieren.

Foto: APA/dpa

Bozen - Reiner Stickstoff soll die Gletschermumie Ötzi künftig konservieren. Stickstoff habe mehrere Vorteile: Zum einen eliminiere er die Oxidationsprozesse, die für das Altern verantwortlich sind, zum anderen blockiere er die sogenannten aeroben Bakterien, die Sauerstoff zum Leben brauchen, erklärte der Konservierungsbeauftragte am Südtiroler Archäologiemuseum, Eduard Egarter Vigl.

Vor rund zwei Jahren wurde mit der Umsetzung dieses Projekts begonnen. "Nach wie vor gibt es aber kleinere, technische Probleme, die im Grunde banaler Natur sind", schilderte Egarter Vigl. Unter anderem habe man bisher keine Firma gefunden, die 100-prozentigen Stickstoff liefere. Zudem gebe es noch verschiedene gesetzliche Vorschriften, die umzusetzen seien, und kleine Details wie beispielsweise die Reaktion des Dichtungsmaterials der Türe auf den Stickstoff, die noch abzuklären seien. Trotzdem zeigte sich der Konservierungsbeauftragte und ehemalige Leiter der Pathologie am Bozner Krankenhaus zuversichtlich, dass das Projekt im Laufe des ersten Halbjahres 2011 umgesetzt werden könne.

Ein wissenschaftlich "reizvolles" Projekt

Diese jüngste Episode der Konservierung beruht auf der allgemein anerkannten Erkenntnis, dass organische Substanzen in erster Linie durch Oxidationsprozesse altern. Wenn also auf lange Sicht etwas erreicht werden soll, dann sei es unumgänglich, den Sauerstoff aus den Zellen herauszubringen. Zudem brächte der Stickstoff einen weiteren Vorteil mit sich: Durch reines Gas in der Zelle ließen sich Bakterienkolonien geringsten Ausmaßes nachweisen. Denn bei jedem Stoffwechsel wird Ammoniak produziert. "Wenn wir also reinen Stickstoff in der Konservierungszelle haben, können wir die minimalsten Spuren von Ammoniak nachweisen", betonte der Konservator. Auch aus diesem Grund handle es sich dabei um ein wissenschaftlich "reizvolles" Projekt.

In den knapp 20 Jahren seit Entdeckung der Mumie am 19. September 1991 am Similaungletscher in den Ötztaler Alpen habe sich auf dem Gebiet der Konservierungstechnik einiges getan. Nach dem Fund habe sich recht schnell herausgestellt, dass es sich um eine weitgehend natürlich getrocknete Mumie handle, die aber doch am Beginn ihrer natürlichen Konservierung einige Zeit im Wasser gelegen sein musste. "Das Fett war zu Fettwachs umgebaut, und das passiert nur im Wasser", erläuterte Egarter Vigl. Die Konservierungsbestrebungen waren daher zunächst darauf gerichtet, die Feuchtigkeit so hoch wie möglich zu halten, eine gleichförmige Temperatur zu gewährleisten und so keimarm wie nur möglich zu arbeiten.

Befeuchtung und Kontamination

Trotz allem habe die Mumie in der ersten Zeit pro Tag rund 40 bis 45 Gramm Wasser verloren. "Anfänglich mussten wir einmal pro Woche beziehungsweise spätestens alle zehn Tage einen Befeuchtungsvorgang durchführen", sagte der Wissenschafter. Dazu sei die Mumie in den vor der Kühlzelle befindlichen, sterilen Laborraum gebracht worden. Durch die Erwärmung auf Raumtemperatur habe die Leiche die Feuchtigkeit aus der Luft angesaugt und absorbiert. Dieser physikalische Prozess sei aber aus hygienischen Gründen verständlicherweise "katastrophal" gewesen. Trotz Mundschutz und Schutzkleidung sei es zu einer Kontamination des Raumes gekommen.

Mittlerweile habe man durch unterschiedliche Maßnahmen erreicht, dass der Befeuchtungsvorgang nur noch alle zwei bis drei Monate durchgeführt werden müsse. Derzeit belaufe sich der Wasserverlust auf zwei bis drei Gramm pro Tag. Jetzt wird die Mumie auch nicht mehr auf Raumtemperatur erwärmt, sondern mit fein verstaubtem, warmem Wasser besprüht. Dieses lege sich wie ein feiner Nebel auf die Leiche, dringe zum Teil in die Haut ein und bilde eine Schicht an der Oberfläche. Gekühlt wird die Mumie bei minus 6,5 Grad Celsius. Das ist laut dem Experten ein Kompromiss zwischen dem Faktor Kälte, der die Erhaltung des organischen Gewebes gewährleisten soll, und dem Faktor Feuchtigkeit, der das Aussehen der Mumie und ihre physikalischen Eigenschaften erhalten soll.

Egarter Vigl bezeichnete die Konservierung als eine Gratwanderung zwischen dem Ziel, die Mumie auf lange Zeit in einem guten Zustand zu halten und der Bestrebung, sie museal und ökonomisch zu nutzen. Medizin und Naturwissenschaft würden enorme Fortschritte machen. Beispielsweise stünden heute diagnostische Möglichkeiten zur Verfügung, von denen man vor 20 Jahren nichts gewusst habe. Allein deswegen bestehe eine Verantwortung, diesen einzigartigen Fund so gut es geht für folgende Generationen von Wissenschaftern zu erhalten. (APA)