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Tiefer Einblick in den Rachen des T-Rex: Szenen wie diese sind Alltag im Kino der Gegenwart. Wissenschafter suchen nach Wegen, den Fernsehzuschauern auch das Fühlen und Riechen zu ermöglichen.

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Man stelle sich vor: Ein Film läuft im Abendprogramm, es ist ein actionreicher Abenteuerfilm, den man nicht nur sehen und hören, sondern auch spüren und riechen kann. Die Programmchefs der Sendeanstalten würden sich wahrscheinlich zu Recht auf hohe Einschaltziffern freuen.

Kein abwegiger Gedanke: In der 3-D- und High-Definition-Fernsehtechnologie wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht, die Intensität des Medienerlebens lasse sich jedoch noch viel weiter steigern, sagt Christian Timmerer vom Institut für Informationstechnologie (ITEC) der Alpen Adria Universität in Klagenfurt gegenüber dem Standard.

Wind durch Ventilatoren

Die ITEC-Arbeitsgruppe erforscht gleich mehrere Aspekte der Multimediatechnologie. Zum einen fragt sie danach, welche zusätzlichen Effekte mit welchen Geräten erzeugt werden können. Zum anderen untersucht die Arbeitsgruppe, wie sich die Steuerung dieser Geräte mit der Datenübertragung an Bildschirm und Lautsprecher verknüpfen lässt. Ventilatoren können zum Beispiel Wind simulieren, Klimaanlagen Kälte und Hitze erzeugen, und mit in Stühlen eingebauten Schüttelmaschinen wären Explosion und Erdbeben nachahmbar. Regen käme aus einem kleinen Sprühkopf.

Sogar wechselnde Düfte ließen sich theoretisch miteinbinden, erzählt Christian Timmerer. "Es gibt bereits Geräte, mit denen man derlei Effekte umsetzen könnte." Ihre Einsatzmöglichkeiten sind derzeit allerdings noch sehr begrenzt.

Damit sämtliche Zusatzeffekte synchronisiert auf den Zuschauer einwirken können, müssen die Inhalte von DVD, Blu-ray Disc oder auch aus dem Internet mit sogenannten Metadaten angereichert werden, erläutert Timmerer. Sie liefern die Information darüber, wann genau ein bestimmter Effekt seinen Auftritt haben soll. Für die Codierung und Verarbeitung der Metadaten braucht es spezielle Standards, Software und Systemarchitektur. Am ITEC erarbeitet man dafür entsprechende Konzepte.

Um zu untersuchen, welchen Einfluss multisensorische Technologie auf die Wahrnehmung von Filmaufnahmen hat, führten Timmerer und Kollegen in den vergangenen Jahren mehrere Versuche durch. "Für diese Effekte gibt es noch keine standardisierten Beurteilungsmethoden. Auch die wollen wir entwickeln." Die Forscher bauten deshalb eine relativ einfache Testanlage mit Bildschirm, Soundanlage, Luftgebläse, Vibrationshandgelenkauflage und einem Wandfluter für zusätzliche Lichteffekte.

Die Versuchspersonen schauten sich unterschiedliche Filmsequenzen mit und ohne Effekte an und konnten währenddessen ihre Beurteilung einzelner Szenen - gut oder schlecht - über die Knöpfe an einem umgebauten Joystick abgeben. Anschließend füllten sie noch einen Fragebogen aus. Die Ergebnisse zeigten: Die Zuschauer gaben Filmabschnitten mit Zusatzeffekten die besseren Noten. Vor allem bei einer Naturdokumentation schnitt die multisensorische Vorführung sehr gut ab.

Zu viele Effekte

Im Verlauf der Tests wurde das ITEC-Team noch auf einen weiteren Aspekt der Multimediatechnologie für alle Sinne aufmerksam: mentale Überlastung. Manche Versuchsteilnehmer hätten sich beklagt, berichtet Christian Timmerer. Sie fühlten sich überladen. "Von den vielen Effekten, die einem da zugeführt werden. Das war für einige wohl zu viel."

Um dieses Problem zukünftig zu lösen, wollen die Klagenfurter Experten Benutzerprofile erstellen, wonach die Intensität der Zusatzeffekte eingestellt werden kann - auch individuell über Nutzeroberflächen. Die Frage sei allerdings, wie sehr im Detail die Hersteller später die Geräte konfigurierbar machen wollen. "Wenn man damit kommerziell Erfolg haben will, muss man es einfach machen", meint Timmerer.

Mentale Überlastung könnte jedoch nicht nur vom eigentlichen Film ablenken und so den Mediengenuss trüben. Vielleicht sind die kombinierten Eindrücke für zartbesaitete Seelen auch einfach zu heftig. Deshalb will die wissenschaftliche Arbeitsgruppe in nächster Zeit untersuchen, wie sich der Einsatz multisensorischer Effekte bei der Darstellung realer Ereignisse psychologisch auswirkt.

Mit anderen Worten: Was passiert, wenn sich der Sessel schüttelt, während in den Nachrichten über eine Erdbebenkatastrophe berichtet wird? Reagieren die Zuschauer schockierter? Auch dies dürfte laut Christian Timmerer individuell wieder sehr verschieden sein. "Manche verkraften das besser, manche weniger." (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 16.02.2011)

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Wissen: Rubbelkarten und Erdbeben

Die ersten Versuche, Kinobesucher mit olfaktorischen Reizen zu versorgen, gehen auf das frühe 20. Jahrhundert zurück. Der erste Geruchsfilm entstand 1940. Berühmt wurde vor allem John Waters mit Polyester (1981). Den Zuschauern wurden Karten mitgegeben, durch Rubbeln konnten Duftstoffe freigesetzt werden. Ein Versuch in Sachen "Gefühlskino" war Sensurround in den 1970er-Jahren. In fünf Katastrophen-, Kriegs- und Sciencefiction-Filmen wurde der Sound spürbar gemacht. In US-Kinos soll sogar der Verputz von der Decke gefallen sein. (red)