Erwin Wagenhofer hat mit dem didaktischen Flüchtlingsdrama "Black Brown White" seinen ersten Spielfilm realisiert

Foto: Filmladen

Wien - "Du warst schon lange nicht mehr auf der Straße. Da hat sich einiges verändert." Dass es zwischen dem Fernfahrer und seinem Chef nicht zum Besten steht, merkt man bereits zu Beginn des Films. Aber die Sympathien sind eindeutig verteilt: Während der Trucker Don Pedro (Fritz Karl) bei seiner Rückkehr in die Wiener Spedition sich um die wichtigen Dinge des Alltags wie saubere Kleidung kümmert, denkt sein Boss Jimmy (Karl Markovics), seit einem Verkehrsunfall im Rollstuhl, nur ans Geld und dunkle Geschäfte. Hier setzt der Chef auf die Verlässlichkeit seines Fahrers, um selbst Profit einzufahren.

Jimmy ist der Nachfahre von Gabriele Ferzetti in Sergio Leones Once Upon a Time in the West, ein Magnat des 19. Jahrhunderts, der sich in seinem Eisenbahnwaggon verbarrikadierte und seine Söldner über Leichen schickte. Don Pedro jedoch ist der Nachfahre aller rechtschaffenen Cowboys, die ein letztes Mal die "Drecksarbeit" machen, wie er selbst ankündigt.

Ausbeutung und Korruption

Denn nachdem er seine Ladung ukrainischen Knoblauchs nach Marokko gebracht hat, soll er von dort Flüchtlinge - zusammengepfercht in einem Versteck auf dem Anhänger - nach Europa schmuggeln. Ein einträgliches Geschäft vor allem für den Chef zu Hause, bei dem man jedoch besser nicht über Ausbeutung und Korruption nachdenkt. Denn sonst wird man wie Don Pedro vom Schlepper zum Fluchthelfer.

Thematisch schließt Erwin Wagenhofer mit seinem Spielfilmdebüt also an seine erfolgreichen Globalisierungsdokumentationen We Feed the World (über die industrialisierten Nahrungsmittelmärkte) und Let's Make Money (über die deregulierten Finanzmärkte) an, während auf narrativer und formaler Ebene zahlreiche Topoi des Genrekinos einfließen:

Zu den Versatzstücken aus Western und Roadmovie gesellt sich in Black Brown White alsbald auch eine Lovestory, als Don Pedro die aus Ghana geflohene Jackie (Clare-Hope Ashitey) mit Sohn im Fahrerhaus mitnimmt, die sich standhaft weigert, bei den anonym bleibenden Flüchtlingen eingesperrt zu werden.

Die sozialen, ökonomischen und menschenrechtlichen Verhältnisse, die Don Pedro zunehmend anwidern, kommen in Black Brown White also durch die Beifahrertür, nehmen dafür aber in der Folge umso prominenteren Raum ein: Endlos scheinen die Tomatenplantagen in Almería, in denen ausschließlich illegal beschäftigte Afrikaner arbeiten; gespenstisch die weiß gestrichenen Häuser in Südspanien als Mahnmal der Immobilienblase. Und schwer didaktisch klingt so manche Dialogzeile, mit der Don Pedro seiner Beifahrerin Europa erklärt: "Was nicht mit Geld geht, das geht mit viel Geld. So ist das bei uns."

Klare Botschaften

Das sind einfache Bilder und Worte für komplexe Zusammenhänge. Dass Wagenhofer, der seine Projekte bekanntermaßen akribisch recherchiert, in Black Brown White klare Botschaften in Kauf nimmt, ist seinem zu wenig elaborierten Spielfilmkonzept geschuldet. Einerseits müssen Bilder für die kollektive Schuld am "System" gefunden werden, andererseits gilt es, einen positiv besetzten Protagonisten als "Aussteiger" bereitzustellen. So wird Don Pedro in Wahrheit nicht zum Fluchthelfer einer jungen Mutter aus Ghana, sondern zu unserem Fluchtgefährten in eine bessere Welt. (Michael Pekler, DER STANDARD - Printausgabe, 16. Februar 2011)