Wien - Brownsville liegt am südlichsten Punkt von Texas, unmittelbar an der Grenze zu Mexiko. Eine Modellstadt, wenn man darunter keine Utopie, sondern den Normalfall versteht: hoher Bevölkerungsanteil an Hispanics, Arbeitslosigkeit, Jugendbanden auf der einen Seite, locker getragene Waffen, Patriotismus und Frömmigkeit auf der anderen.
Die österreichische Nachwuchsfilmemacherin Barbara Eder kannte Brownsville seit einem Schulprojekt, so kam es zur Besonderheit, dass sie nun ihren ersten Spielfilm, Inside America, dort angesiedelt hat - eine Arbeit, die auf den ersten Blick tatsächlich wie eine US-Independent-Produktion anmutet, die sich Schauplatz und Menschen kenntnisreich im semidokumentarischen Gestus annimmt.
Räumlicher Mittelpunkt des Films ist eine Highschool der Stadt, Eder nimmt sie vornehmlich als Ausgangsort wahr, um den Figuren egalitär auf ihren Wegen zu folgen. Die Perspektive ist damit horizontal ausgerichtet, Gegenüberstellungen ergeben sich von selbst und formen insgesamt einen Katalog jugendlicher Modellfälle. Diese wirken vielleicht nicht durchwegs originell, aber Laiendarsteller verleihen ihnen Substanz.
Außerdem erlauben sie Eder, kulturelle und soziale Spezifika in erzählerischen Episoden zu bündeln, die mal komischer, mal dramatischer ausfallen: Patty muss sich etwa gegen die Verkupplungsversuche ihrer Tanten zur Wehr setzen, für die eine Frau ohne Mann noch nicht komplett ist; Manni dagegen ist illegal im Land und darauf angewiesen, neben der Schule zu arbeiten - von lokalen Gangs wird dies zunehmend erschwert.
Kontrapunktisch dazu setzt Eder die Geschichte der Cheerleaderin Aimee, die bei Schönheitswettbewerben unbedingt als Siegerin hervorgehen will und dabei zunehmend Halt verliert. Die Idee individueller Freiheit erweist sich in Inside America damit aus diversen Blickwinkeln als Illusion - dass Eder ihren Figuren überhaupt keine Auswege lässt, sieht dann fast wieder nach österreichischer Schule aus. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD - Printausgabe, 16. Februar 2011)