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Dem ÖBB-Schuldenberg steht ein Schub bevor. Allerdings nicht wegen exzessiven Tunnelbaus, sondern für die Sanierung der Gütersparte RCA. Da Eigentümer Staat nichts zuschießt, bleibt nur die Kreditaufnahme.

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Wien - Dem Schuldenstand der ÖBB steht ein Schub ins Haus. Nun steigen aber nicht die Verbindlichkeiten für den von der Regierung geliebten Bahntunnelbau, sondern für den Absatzbereich.

Der Grund: Der defizitäre und unter massivem Eigenkapitalschwund fahrende ÖBB-Güterverkehr Rail Cargo Austria (RCA) braucht rund 400 Millionen Euro, um das im Spätherbst präsentierte Sanierungs- und Wachstumsprogramm realisieren zu können.

Das Problem: Im Gegensatz zum Verbund, der 500 Mio. Euro Kapitalerhöhung gekriegt hat, geben Verkehrs- und Finanzministerium für den Güterverkehr (hat die bei der ÖBB-Reform 2004 eingebauten Restrukturierungsrückstellungen in Millionenhöhe verbraucht, aber nichts restrukturiert) keine Kohle her. Also suchen ÖBB-Holding-Chef Christian Kern und Holding-Finanzchef Josef Halbmayr alternative Geldquellen. Die wahrscheinlichste: ein Bankkredit, den die ÖBB-Holding aufnimmt und in RCA als Kapitalerhöhung einschießt.

Diskutiert, aber wieder verworfen: dass der für Bahnausbau zuständige Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur Geld aufnimmt, selbiges an die Holding als "Gewinn" abliefert, die ihn an RCA weiterreicht. Das könnte in Brüssel aber als wettbewerbsverzerrende Quersubvention abqualifiziert werden.

Ohne Kapitalmaßnahme schaut es trüb aus für die RCA: Das reine Marktwachstum reicht trotz Wirtschaftsaufschwungs nicht annähernd, der RCA laufen die Kosten davon. In Zahlen gegossen hieße das: RCA, die operativ (Ebit) 2010 rund 73 Mio. Euro Verlust eingefahren hat, würde noch tiefer in die Verlustzone fahren. Ohne Sanierungsplan wäre das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebit) 2015 mit 80 Mio. Euro negativ (siehe Grafik) - ohne Sondereffekte, versteht sich. Und die haben es in sich, RCA muss Remanenzkosten schultern, also jene Kosten, die für nicht mehr benötigtes, unkündbares Personal anfallen. Selbst für Programme à la "Postler zur Polizei" fehlt das Geld.

Damit ist klar: Ohne 400 Millionen kein Wachstumskurs. Eine Lösung soll bis April gefunden werden. Bis dahin soll klar sein, um wie viel die - in der Bilanz 2009 mit 380 Mio. Euro heillos überbewertete - Rail Cargo Hungaria (RCH, ehemals MávCargo) abgewertet werden muss. "Mehr als 200 Mio. Euro" sind laut Kern als Bewertung nicht zu halten, der RCH-Jahresverlust wird auf 280 bis 300 Mio. taxiert, das operative Minus auf 60 Mio. Euro. Tiefrot wird auch die Konzernbilanz 2010: "Zwischen 200 und 400 Millionen" , wie dem Standard in hohen ÖBB-Kreisen bestätigt wird.

Apropos Abgang: Ein solcher zeichnet sich für RCA-Italien-Manager Johannes Kasal ab, einst ÖBB-Strategiechef in der Ära Huber, danach in der RCA. Der Ex-Berater (Deloitte) ist auf der Shortlist für die Chefetage der Bundesimmobiliengesellschaft BIG. Das schwierige RCA-Geschäft in Italien-Geschäft dürfte den in der ÖVP bestens vernetzten Kasal nicht mehr reizen, wird Linea doch - wie die RCA-Ableger in Griechenland, Rumänien, Slowakei -, von der ÖBB-Revision seit Monaten auseinandergenommen. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.2.2011)