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Auf Burg Liechtenstein gebunkerte Bankdaten rückt das Fürstentum nur heraus, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

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Klaus Tschütscher

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STANDARD: Haben Sie eine Stiftung?

Tschütscher: Nein, habe ich nicht.

STANDARD: Warum nicht? Soll ja recht steuersparend sein.

Tschütscher: Das muss aber jeder selbst entscheiden, wie er seine Vermögensplanung regelt.

STANDARD: Organisationen wie das Tax Justice Network bezeichnen Liechtenstein wegen seines hyperdiskreten Stiftungsrechts als Steueroase. Was sagen Sie dazu?

Tschütscher: Das ist eine Frage der Definition. Wenn man unter Steueroase Länder versteht, die keine Steuern einheben, dann ist das falsch. Wir haben immer besteuert. Wenn man eine Steueroase als Land mit niedrigen Steuersätzen definiert, das attraktive Anlagemöglichkeiten bietet und als Finanzstandort international wettbewerbsfähig ist, waren wir eine und werden wir auch in Zukunft eine sein. Die Kriterien des Tax Justice Network sehen wir als nicht objektiv und fair. Bei solchen Bewertungen geht es letztlich darum, den Wettbewerb der Steuersysteme auszuschalten und eine Angleichung der Steuersätze zu propagieren.

STANDARD: Die Hauptkritik gilt der Geheimhaltung im Stiftungsrecht. Es gibt im Gegensatz zu Österreich kein öffentliches Stiftungsregister. Richtet ein Treuhänder die Stiftung ein, wissen Ihre Behörden nicht, wer der wahre Geldgeber ist.

Tschütscher: Letztlich ist entscheidend, ob Informationen über den Stifter und die Begünstigten verfügbar sind. Und das sind sie im Anlassfall. Die Informationen gibt es halt nicht in einem öffentlichen Register, aber das braucht es für einen effektiven Informationsaustausch auch nicht.

STANDARD: Aber für ausländische Steuerbehörden ist auf diese Weise nicht einsehbar, wer sein Vermögen in Liechtenstein angelegt hat.

Tschütscher: Ja, aber dahinter steckt eine grundsätzliche Frage. Wollen wir einen gläsernen Bürger und die Nachverfolgung jeglicher privater Transaktionen durch den Staat? Wir wollen das nicht. Ansonsten würde die Entwicklung in Richtung eines automatischen Informationsaustausches mit ausländischen Behörden gehen und dem erteilen wir eine deutliche Absage.

STANDARD: Aber welches Gut wird durch Geheimhaltung geschützt?

Tschütscher: Die Wahrung der Privatsphäre zum Schutz der Persönlichkeit stellt seit jeher ein hohes Gut dar. Deren Schutz hat viele Facetten. Wenn jemand zum Anwalt geht, weil er in einen Nachbarschaftsstreit verwickelt ist, möchte er ja auch nicht, dass alles darüber ausgeplaudert wird. Es gibt aber auch eine finanzielle Privatsphäre. Ich bin der Auffassung, dass es den Staat nichts angeht, ob ich ein Geschenk für meine Frau bar, via Visakarte oder über Banküberweisung bezahle.

STANDARD: Dass Stifter anonym bleiben, schützt nicht deren Privatsphäre, sondern die Geheimhaltung vor dem Fiskus.

Tschütscher: Das stimmt nicht. Schlussendlich geht es um die Frage, wie viel Vertrauen ein Staat den Bürgern entgegenbringt. Muss hinter jeder Tür ein Kontrollinstrumentarium aufgebaut werden? Was würde das überhaupt nützen? Ein Beispiel: Man wird auch mit noch mehr Polizisten keinen Mord verhindern oder vermeiden, dass Menschen zu schnell Auto fahren. Wichtig ist, dass Kontrolle und Offenlegung greifen, wenn etwas schiefläuft. Das ist bei uns definitiv der Fall.

STANDARD: Kennen Sie Karl-Heinz Grasser?

Tschütscher: Ob ich ihn persönlich kenne? Nein.

STANDARD: Verfolgen Sie den Fall Grasser?

Tschütscher: Klar. Das sind Diskussionen, die vor allem in Österreich geführt werden, aber wir verfolgen das auch hier in Vaduz aufmerksam und wenn dazu Ansuchen an Liechtenstein gestellt werden, behandeln wir diese so, wie sie zu behandeln sind.

STANDARD: Ist Ihnen das unangenehm, dass Liechtenstein in letzter Zeit in Österreich fast nur im Zusammenhang mit mutmaßlichen Steuerhinterziehungsfällen genannt wird?

Tschütscher: Unangenehm ist der falsche Ausdruck. Wichtig ist, dass Vertrauen da ist, dass Liechtenstein für die Missbrauchsbekämpfung funktionierende Systeme hat und eine Null-Toleranz-Politik verfolgt.

STANDARD: Entwicklungsländern entgehen Milliarden an Steuern, weil z. B. arabische Staatschefs und ihre Clans Geld in Steueroasen transferierten. Wäre da eine Kompensation zu überlegen?

Tschütscher: Wenn es solche Gelder bei uns gibt, werden wir kooperieren, so wie in anderen Fällen auch. Aber ich glaube, man darf nicht sagen, dass Systeme per se geschaffen werden, um aus anderen Ländern Geld anzuziehen. Wir dürfen auch in Anspruch nehmen, dass man sich in Liechtenstein seit Jahren ein sehr großes Knowhow im Bereich der Finanzdienstleistungen angeeignet hat. Investoren haben das Recht, mit ihrem Geld dort hinzugehen, wo es dieses Knowhow und die entsprechende Stabilität gibt. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 14.2.2011)