Rom - Die Italienerinnen sagen Basta: Nachdem seit Monaten die Sexaffären um Regierungschef Silvio Berlusconi das politische Leben und die Medien dominieren, sind die italienischen Frauen am Sonntag auf die Straße gegangen, um gegen den Premierminister und das der Politik und dem Fernsehen vermittelte Frauenbild zu demonstrieren. "Ora basta!" (Jetzt reicht's!) skandierten die Demonstrantinnen, die von Mailand bis Palermo auf die Straße gingen, um mehr Respekt für die Frauen zu verlangen. In Mailand trugen die Demonstrantinnen einen weißen Schal als Symbol ihres Protests, in der süditalienischen Stadt Andria hielten sie eine Blume in der Hand. "Diese Blume steht für den Respekt und die Würde der Frauen, Worte die Berlusconi längst vergessen hat", betonte eine Organisatorin des Protests.

Dass Premier Berlusconi in seiner Privatresidenz wie ein alter Sultan ausschweifende Partys mit minderjährigen Callgirls organisierte, wie die Mailänder Staatsanwaltschaft behauptet, hat bei vielen Italienerinnen das Fass zum Überlaufen gebracht. Normale Bürgerinnen, Künstlerinnen, Politikerinnen und Schriftstellerinnen riefen im Internet dazu auf, ein Zeichen zu setzen und organisierten die landesweite Protestaktion. Mehr als 100.000 Mädchen und Frauen unterzeichneten ein Manifest gegen das frauenverachtende Bild in den Medien und in der Politik. Tausende Frauen schlossen sich spontan der landesweiten Mobilisierungsaktion an. "Italien ist kein Bordell" und "Wenn nicht jetzt, wann dann?" lauten Slogans der Frauenorganisationen. Zur Teilnahme an der Demonstration wurden auch Männer aufgerufen, die "Freunde der Frauen" sind.

Bei der Protestkundgebung in Rom, an der sich Frauen aus allen politischen Lagern beteiligten, war auch die Chefin des stärksten italienischen Gewerkschaftsverbands CGIL, Susanna Camusso, anwesend. "Wir protestieren gegen eine Führungselite, die alle Regeln missachtet. Die italienischen Frauen fühlen sich von diesem Premierminister beleidigt und degradiert", betonten die Initiatorinnen der parteiübergreifenden Protestkundgebungen. "Nach dem Skandal wegen der minderjährigen Prostituierten im Hause Berlusconis kann man nicht mehr wegschauen. Die Würde der Frauen ist in Italien ein Problem, das uns alle betrifft", sagte die Rechtsparlamentarierin Giulia Bongiorno.

Politische Forderungen

Die Demonstrantinnen stellten auch politische Forderungen: Sie klagen über Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt und einen Mangel an Kinderbetreuung, fordern mehr Halbtagsjobs und Unterstützung für Familien. Von den Protesten erhoffen sie sich auch, dass sich die zersplitterten Frauenorganisationen in Zukunft besser vernetzen können.

Italien zählt europaweit zu den Ländern mit der niedrigsten Zahl an Frauen in der Politik. Mit 9,2 Prozent Frauen im Parlament ist Italien europaweit das Schlusslicht. Jede zweite Frau hat keinen Arbeitsplatz und hat auch die Suche danach aufgegeben. Italien ist mit Malta Europas schwarzes Schaf, was Frauenbeschäftigung betrifft. 48,9 Prozent aller Frauen haben in Italien keinen Job, geht aus dem neu veröffentlichten Dossier des nationalen Statistikamts Istat hervor. (APA)