Ai Weiweis 100 kg "Sunflower Seeds" eröffnen die Zeitgenossen-Auktionen in London.

 

Foto: Sotheby's

Was für eine Woche, die da in London in der Nacht auf Donnerstag einen ruhmreichen Schlussakkord setzte. Nicht nur der einzelnen und teils beachtlichen neuen Künstlerrekorde wegen, die in den Auktionssälen von Christie's und Sotheby's notiert werden durften.

Etwas mehr als 290 Millionen Pfund und damit knapp 342 Millionen Euro spülten Kunstwerke der Sparte Impressionist & Modern Art, inklusive der Surrealisten-Formation, innerhalb von nur drei Tagen in die Kassen der beiden Auktionsgiganten. Nur Querulanten könnten in Ermangelung eines Einzelzuschlags jenseits der 63-Millionen-Pfund- bzw. 100-Millionen-Dollar-Marke (fälschlich) ein Schwächeln attestieren, so die Auktionen im Vergleichszeitraum des Vorjahres der (trügerische) Maßstab wären.

Neues Jahr, neues Spiel, und Sotheby's oblag am 8. Februar der eröffnende Zug. 32 Besitzerwechsel später notierte man in der Bond Street ein Total von 68,83 Millionen Pfund (81,11 Mio. Euro). Den höchsten Zuschlag des Abends hatte man erwartungsgemäß für Pablo Picassos aus einer amerikanischen Privatsammlung stammendes La Lecture bei 25,24 Millionen Pfund (29,74 Mio. Euro / 40,71 Mio. Dollar) erteilt.

Vom Rekordmaß (Nu au plateau de sculpteur, Christie's 2010, 106,48 Mio. Dollar) ist das weit entfernt, aber immer noch mehr als die Experten (offiziell) erwartet hatten. Eine Niederlage der etwas herberen Sorte galt es anderntags bei Christie's einzustecken. Mit Paul Gauguins Stillleben L'Espérance scheiterte das auf sieben bis zehn Millionen Pfund taxierte verheißungsvollste Ross im Stall kläglich. Aus den 60 verzeichneten Verkäufen setzte sich Pierre Bonnards Terrasse à Vernon mit 7,2 Millionen Pfund (8,48 Mio. Euro) an die Spitze, immerhin ein neuer Künstlerweltrekord. Über den Erwartungen gefiel da- gegen Österreichisches: Oskar Kokoschkas Bildnis Hermann Schwarzwald II fand erst bei 2,14 Millionen Euro eine neue Heimat, und Egon Schieles Zeichnung einer liegenden Schönheit erzielte mit 523.824 Euro mehr als das Doppelte der angesetzten Taxe.

Ein Paar weißer Handschuhe

Bei der im Anschluss abgehaltenen Surrealisten-Auktion durften sich die Experten in der King Street eines neuen Rekords für Salvador Dalí rühmen (Etude pour Le miel, 4,07 Mio. Pfund / 4,79 Mio. Pfund) - allerdings nur wenige Stunden. Dann setzte Sotheby's im Zuge der Versteigerung einer Privatsammlung ("Looking Closely") am 10. Februar noch eins drauf, jonglierte Tobias Meyer neun Bieter, die Dalís Porträt von Paul Éluard von 3,5 auf 13,48 Millionen Pfund (15,9 Mio. Euro) trieben. Das markiert nicht nur den neuen Künstlerweltrekord, sondern dazu den höchsten jemals für das Werk eines Surrealisten bezahlten Preis.

"Well, Tobias at his best", raunte man sich im berstend vollen Auktionssaal zu. Um 22.17 Uhr MEZ überreichte Cheyenne Westphal, Sotheby's Chairman of Contemporary Art Europe, ihrem Chef jene Trophäe, die eine Verkaufsquote von 100 Prozent symbolisiert: Ein Paar weißer Handschuhe für jedes einzelne der an diesem Abend angebotenen Kunstwerke, das einen neuen Besitzer fand. Sotheby's besserte seine monetäre Wochenbilanz damit um weitere 93,52 Millionen auf stolze 183,85 Millionen Pfund auf und ließ Christie's mit 107,12 Millionen eher blass aussehen. Zumal eine potenzielle Höchstform des Starauktionators von Sotheby's den Christie's-Kollegen derzeit wohl schlaflose Nächte beschert. Denn kommende Woche stehen in London noch die Auktionen "seiner" Sparte Contemporary & Post War auf dem Programm. Allein bei den renommierten Abendauktionen gehen Kandidaten im Wert von 35,38 Millionen (Sotheby's, 15. 2.) bzw. 42,46 Millionen Euro (Christie's, 16. 2.) an den Start. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.2.2011)