Dessen Festhalten an der Macht war eine Ohrfeige für Barack Obama. Umso größer ist nun dessen Erleichterung.

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Harry Reid, der Mann aus Las Vegas. "Es freut mich, dass Präsident Mubarak die Stimme des ägyptischen Volkes erhört hat", jubelte der Senator, der in der kleineren Parlamentskammer die Fraktion der Demokraten anführt. Nun sei wichtig, dass Hosni Mubaraks Rücktritt zu echter Demokratie führe, "freie, faire und offene Wahlen eingeschlossen".

Reids Parteifreund John Kerry rief das Militär am Nil auf, das Kriegsrecht aufzuheben und einen konkreten Fahrplan für die Zeit bis zum anzupeilenden Votum aufzustellen. Marco Rubio, frisch gewählter Senator und Vorzeigefigur der Tea Party, sprach von einem historischen Moment für Ägypten und den Nahen Osten. Einigkeit also, quer durchs politische Spektrum, in Washington die absolute Ausnahme.

Barack Obama ließ sich Zeit. Offenbar wollte er gründlicher nachdenken, Schnellschüsse vermeiden, bevor er an die Öffentlichkeit ging. Mittags fuhr Sameh Schukri, der ägyptische Botschafter, vorm Weißen Haus vor. Er sollte erklären, wer denn nun an Stelle Mubaraks an den Schalthebeln sitzt, die Generäle oder Vizepräsident Omar Suleiman. Weder mit Mubarak noch mit Suleiman habe Obama gesprochen, bevor in Kairo die Würfel fielen, stellte Sprecher Robert Gibbs am Rande klar.

Vier Stunden nach Mubaraks Rücktritt trat Obama schließlich vor die Presse und verglich den Erfolg der friedlichen Proteste mit dem Fall der Berliner Mauer und Mahatma Gandhis Kampf für Indiens Unabhängigkeit. Die Ägypter hätten die Welt inspiriert und klar gemacht, "dass sie nichts weniger als eine echte Demokratie akzeptieren werden" , sagte er. Er erinnerte das Militär an ihre Pflicht, die Bürger zu schützen, und betonte, dass sein Land "Freund und Partner" Ägyptens bleiben werde.

Vorausgegangen war eine Berg- und Talfahrt, von Vorfreude zu Katzenjammer und wieder zurück, das alles in weniger als 24 Stunden. Dass Mubarak in letzter Minute die nationalistische Karte spielte, sich brüsk gegen jedes "ausländische Diktat" verwahrte - in Washington verstand man es als schallende Ohrfeige für Obama. Der war zögerlich auf Distanz zu dem alten Verbündeten gegangen, zwei Wochen lang lavierend, nie den offenen Bruch wagend. Am Donnerstag war es damit vorbei, da nahm der Amerikaner kein Blatt mehr vor dem Mund.

In Marquette, hoch im Norden am Oberen See, wollte er eigentlich über bessere Internetverbindungen in Amerikas Haushalten reden. Dann sprach er doch zuerst von Ägypten, in euphorischem Ton, der das vorangegangene Zaudern vergessen ließ. "Ganz klar ist, dass wir Zeugen sind, wie Geschichte geschrieben wird" , frohlockte Obama. Die Menschen Ägyptens, angeführt von den Jungen, wollten den Wandel. "Change" - im Wahlkampf war es sein Lieblingswort. Nun benutzte er es, um die Demonstranten am Nil zu feiern.

Da schien er Genaues zu wissen, während die Journaille nur spekulieren konnte. Er schien sich sicher, dass Mubarak in Kürze das Handtuch werfen würde. Zumal sich sein CIA-Chef wenige Stunden zuvor, bei einer Anhörung im Kongress, weit aus dem Fenster gelehnt hatte. Mit "hoher Wahrscheinlichkeit" sei zu erwarten, dass Mubarak am Abend zurücktrete, verkündete Leon Panetta und trug viel zur Verwirrung bei. Hatte er Zusagen in der Tasche? Garantien Suleimans? Oder wiederholte er nur, was den ganzen Tag über bei CNN lief? Erneut mussten sich die Schlapphüte den Vorwurf gefallen lassen, dass sie auch nur im Nebel stochern. (Frank Herrmann aus Washington/DER STANDARD, Printausgabe, 12.2.2011)