Bascha Mikas neueste Streitschrift, erschienen bei Bertelsmann, 288 Seiten, € 14,99

Foto: Buchcover "Die Feigheit der Frauen"/C.Bertelsmann

Laut Global Gender Gap Report steht es für Österreichs Frauen besonders schlecht bei der "wirtschaftlichen Teilnahme" und der Entlohung. Linke Feministinnen wie Bascha Mika haben auf die Frage, warum noch immer keine Chancengleichheit herrscht, eine klare Antwort. Daran sind die Frauen selbst schuld.

Grafik: Der Standard

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Von oben und unten, von der Quotendebatte zur Selbstgeißelung: Bei Bascha Mika irritiert, dass sie phasenweise tiefe Verachtung für Frauen durchblitzen lässt, die ihrer Meinung nach klein beigegeben haben.

Foto: APA/AP/Hermann J. Knippertz

Bascha Mika ist eine Frau starker Worte. Das war schon 1998 so, als die langjährige Chefredakteurin der taz eine wenig schmeichelhafte Biografie über Deutschlands Paradefeministin Alice Schwarzer schrieb, und das ist auch in ihrem neuen Buch "Die Feigheit der Frauen" nicht anders.

Mika analysiert darin angriffslustig, "warum kluge, gut ausgebildete Frauen viele Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben verspielen". Das passt natürlich wie die Faust aufs Auge in der Debatte um Chancen- und Einkommensgleichheit, auf Quotenregelung und freiwillige Selbstverpflichtung. Gut für Mika – aber auch gut für die Frauen?

Als Journalistin ist sie gewohnt, scharf zu beobachten. Das macht ihr Buch interessant, und bei vielen der angeführten Beispiele kann frau zustimmend mit dem Kopf nicken: Ja, es gibt die Frauen mit "Kümmersyndrom", die sogar dem WG-Kollegen hinterherputzen, weil sie die Auseinandersetzung mit ihm genauso scheuen wie den Anblick verschimmelter Kochtöpfe in der Gemeinschaftsküche. Jede kennt Mädchen, deren Horizont bei Heidi anfängt und bei Klum aufhört. Jede hat selbst schon mit Freundinnen geistlose "Dann hat er gesagt, dann hab ich gesagt"-Gespräche geführt. (Fast) jede spürt in sich ab und zu den Wunsch, lieber daheim das Zepter zu schwingen, statt im Büro den nächsten Konflikt durchzustehen.

Schuldzuweisung

Doch Mika rührt aus all den (anonymisierten) Frauengesprächen, die sie geführt hat, einen verallgemeinernden Befund zusammen: Frauen hätten es sich in den alten Rollenklischees besser denn je eingerichtet – kaum komme ein "passender" Mann des Weges, höre die Frau von heute zu denken auf. Dann sei sie zur "schablonenhaften weiblichen Existenz" bereit, statt ihre gute Ausbildung zu nutzen und für die eigene Karriere und Geldbörse zu arbeiten. Und spüre sie, zwischen Kindergeburtstag und Yogastunde, ein gewisses Unbehagen, gebe sie "den Strukturen" die Schuld. Aber nicht mit Bascha Mika. Die sagt den Frauen: "Ihr seid selbst schuld."

Im deutschen Feuilleton wird Mikas Buch zum Teil hart kritisiert. Die FAZ Sonntagszeitung etwa verwies darauf, dass dieses "Frauen beschimpfen Frauen" seit den Anfängen der Frauenemanzipation verhandelt werde. Auch in jüngerer Vergangenheit lässt sich ein Trend ausmachen, dass Frauen ihren Geschlechtsgenossinnen mit starken Worten die Leviten lesen. 2006 hatte Barbara Bierach "das dämliche Geschlecht" selbst dafür verantwortlich gemacht, dass es noch nicht die Chefetagen gestürmt hat, im selben Jahr schrieb die (ehemalige) TV-Moderatorin Eva Herman ihr "Eva Prinzip" und gab darin dem Feminismus und den Feministinnen die Schuld, dass Frauen unter Doppelt- und Dreifachbelastungen leiden. Zuletzt geißelte die französische Philosophin Élisabeth Badinter die Öko-Bewegung, die Frauen "unter dem Banner der Natürlichkeit" zurück an Heim und Herd schicken wolle – diesmal zum Wohle der Kinder.

Bei Mika irritiert, dass sie phasenweise tiefe Verachtung für Frauen durchblitzen lässt, die ihrer Meinung nach klein beigegeben haben. Ihr Furor lässt sie übertreiben, wenn sie etwa schon den Untergang ausruft, weil kleine Mädchen auf rosa stehen und damit schon zum "demütig sein" determiniert würden.

Christine Bauer-Jelinek, österreichische Psychotherapeutin und Wirtschaftscoach, bestreitet, dass es eine "männliche Seite" (oben, im Job) und eine "weibliche" (unten, daheim) gibt. Durch die jahrhundertelange, traditionelle Arbeitsteilung scheine es so – doch "die Spielregeln liegen in der Sache". Der Neoliberalismus habe die Bedingungen in der Arbeitswelt noch verschärft, es gehe "extrem kampf- und ergebnisorientiert" zu. Der logische Schluss sei nun: Männer tun sich leichter, weil sie seit Generationen für diesen Kampf erzogen wurden. Das sei aber nur die halbe Wahrheit, sagt Bauer-Jelinek: "Weichere Männer, etwa die Söhne der 68-er-Frauen, haben mit dem Konkurrenzdruck auch Probleme." Umgekehrt gebe es immer mehr junge Frauen, die sich im Job gut durchsetzten. Aber: Jeder, der Zeit mit den Kindern zu Hause verbringe, nehme die Verlangsamung seiner Karriere in Kauf. Bauer-Jelinek: "Nicht alle wollen 60 bis 80 Stunden pro Woche arbeiten. Aber das zuzugeben ist ein Tabu."

Überhaupt Karriere: Unter welchen Bedingungen diese überhaupt noch Ziel sei, welchen Preis Männer wie Frauen zu zahlen bereit sind: Diese Fragen stellten Sibylle Hamann und Eva Linsinger im "Weißbuch Frauen / Schwarzbuch Männer". Und kamen zum Schluss: "Wir brauchen einen neuen Geschlechtervertrag." Dies wäre zumindest ein möglicher Ausweg aus dem Vereinbarkeitsschlamassel. Bascha Mika hat da kaum Ideen. Das ist die größte Schwäche ihres Buches. (Petra Stuiber/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.2.2011)