Das französische Parlament ist im Jänner über seinen eigenen Schatten gesprungen: In einem erstaunlichen Beschluss hat die stark männerdominierte Nationalversammlung - auf Initiative von Frauen - entschieden, dass Verwaltungsräte in Frankreich künftig 40 Prozent Frauen zählen müssen.

"Das ist eine Revolution", freut sich die Juristin Brigitte Grésy, die vor zwei Jahren einen behördlich bestellten Bericht über die Gleichstellung der Frau in der Wirtschaft publiziert hatte. Ihr Befund war ernüchternd: Obwohl drei Viertel der Französinnen erwerbstätig sind, beschränkte sich die weibliche Präsenz in den Verwaltungs- und Aufsichtsräten im Jahr 2009 auf gerade einmal zehn Prozent. Ein halbes Dutzend der vierzig Spitzenunternehmen, die den Pariser Börsenindex CAC40 ausmachen, waren sogar reine Männerbastionen.

Die bürgerliche Abgeordnete der Regierungspartei UMP, Marie-Jo Zimmermann, wagte deshalb einen parlamentarischen Vorstoß in Richtung einer ähnlichen 40-Prozent-Regelung wie in Norwegen. Ein Jahr vor den nächsten Landeswahlen stimmten die UMP und die oppositionellen Sozialisten fast geschlossen dafür.

Für Frankreich, das in vielen Gesellschaftsbereichen "lateinisch-mediterrane" Sitten bewahrt, ist der skandinavische Quotenansatz in der Tat revolutionär; viele Parteikollegen sträubten sich verdeckt dagegen. Inzwischen verabschiedete aber auch Spanien ein entsprechendes Gesetz.

Die Quote wird für Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten und einem Umsatz von mehr als 50 Millionen Euro gelten. Sie müssen drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes - der Zeitpunkt soll im Frühling per Dekret fixiert werden - 20 Prozent Frauen in ihre Leitungsräte aufnehmen. Sechs Jahre später müssen es 40 Prozent sein. Verstöße werden sanktioniert: Wird die Quote nicht erreicht, gelten Beschlüsse und Nominierungen der Räte als annulliert.

Zu den prominenten Französinnen, die im Zuge der Debatte in einen Verwaltungsrat berufen wurden, gehört Bernadette Chirac, die Ehefrau des früheren Präsidenten. Sie sitzt seit 2010 im Leitungsgremium des weltgrößten Luxuskonzerns LVMH. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12./13.2.2011)