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Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad feiert den 32. Jahrestag der Islamischen Revolution in Teheran.

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Saeed Ghasseminejad: "Es wird nicht lange dauern, bis es zum nächsten Aufstand kommt."

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Lang werde es nicht mehr dauern, bis es im Iran zu neuen Unruhen kommt, meint Saeed Ghasseminejad. Der 28-jährige Iraner, der seit Ende 2008 in Paris lebt, war am Donnerstag Abend zu einem Vortrag über "die Zukunft der iranischen Freiheitsbewegung" in Wien. Davor traf er sich mit derStandard.at in einem Mariahilfer Kaffeehaus, um über Parallelen und Unterschiede zwischen dem Aufstand in seiner Heimat 2009 - den er aus der Ferne erlebt hat - und den aktuellen Unruhen in Ägypten zu sprechen.

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derStandard.at: Ende letzten Jahres haben Sie zusammen mit anderen Aktivisten einen Brief an US-Präsident Barack Obama geschickt. Sie baten ihn, sich für inhaftierte Studierende im Iran einzusetzen. Hat Obama geantwortet?

Saeed Ghasseminejad: Natürlich nicht. Aber das habe ich auch nicht erwartet. Wir wollten ihm aber sagen, dass er einen Fehler gemacht hat, als er mit dem Regime über die Atomfrage verhandelt hat, als die Menschen auf den Straßen waren und gegen die Regierung protestiert haben. Das Regime hat Obama ausgetrickst. Wir wollen ihm sagen, dass es noch nicht zu spät ist, die iranische Freiheitsbewegung zu unterstützen.

derStandard.at: Auch heute gibt es Kritik an der US-Regierung, dass sie die aktuellen Proteste in Ägypten nicht genug unterstütze. Sehen Sie Parallelen?

Ghasseminejad: Im Vergleich zur iranischen Opposition ist Obamas Unterstützung der ägyptischen Demonstranten recht stark. Was ich aber interessant finde ist, dass die USA ihren wichtigsten Verbündeten in der Region, Mubarak, in dem Moment fallen gelassen haben, als er schwach war. Und als der Moment da war, an dem der wichtigste Feind der USA in der Region, das iranische Regime, hätte gestürzt werden können, hat Obama diese Chance nicht genutzt.

derStandard.at: Die Aufstände in Tunesien und in Ägypten kommen weitgehend ohne klare Führungsfigur aus. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil gegenüber der iranischen Opposition rund um Mir Hussein Moussavi und Mehdi Karoubi?

Ghasseminejad: Ich glaube eher ein Vorteil. Ich respektiere Moussavi und Karoubi zwar, glaube aber nicht, dass sie ihre Arbeit gut gemacht haben. Sie waren lange Zeit Teil des Regimes, sie konnten nicht so sprechen, wie es damals notwendig gewesen wäre, als Millionen auf der Straße waren und das Regime hätte gestürzt werden können. Eines der Charakteristika der Islamischen Republik ist, dass sie sich ihre Gegner selbst aufbaut. Und wenn diese Gegner die Chance haben, das Regime zu beseitigen, tun sie das nicht. Aber es wird nicht lange dauern, bis es zum nächsten Aufstand kommt.

derStandard.at: Wie begründet ist die Angst mancher Stimmen im Westen vor einem islamischen Gottesstaat in Ägypten nach Mubarak?

Ghasseminejad: Ich halte diese Angst schon für legitim. Eine Studie des Pew Research Center ergab, dass mehr als 80 Prozent der Ägypter Steinigungen als legitime Strafen für Ehebrecher betrachten. Also ich verstehe diese Angst durchaus. Zudem die Muslimbruderschaft die bestorganisierte Gruppe der Opposition ist. Aber ich glaube, dass die Ägypter diese Angelegenheit gut regeln werden. Mubarak hat sich klug verhalten, als er nach außen hin nicht auf Obama gehört hat. Das war sein letztes Zugeständnis dem Westen gegenüber. Wäre er zu Beginn des Aufstandes gleich gegangen, wäre die Situation viel gefährlicher als sie es jetzt ist. Wenn alle Gruppen, inklusive der Armee zusammenarbeiten, kann eine echte, demokratische Revolution stattfinden. (flon/derStandard.at, 11.2.2011)