Mit Freunden und in Benefizspielen jagt Botschafter John Barrett auch in Österreich der schwarzen Scheibe nach.

 

Foto: Okanagan Hockey School Europe

Wer als Teil des diplomatischen Diensts Kanada im Ausland repräsentiert, ist immer auch ein Botschafter des Eishockeys. Im Fall von John Barrett, Kanadas höchsten Vertreter in Österreich, ist das nicht anders. Am Vortag des "Hockey Day in Canada" (derStandard.at berichtet live) hat sich der Botschafter Zeit genommen, um seine Gedanken zur Bedeutung des Eishockeys in seiner Heimat zu formulieren und in persönlichen Erinnerungen zu schwelgen.

John Barrett...

...über seine persönliche Beziehung zum Eishockey

Meine Verbundenheit zum Eishockey geht bis in meine früheste Kindheit zurück. Ich bin rund drei Kilometer entfernt von einer Kleinstadt in Ontario aufgewachsen, dort gab es eine alte, etwas heruntergekommene Eishalle. Jeden Samstag hab ich mir meine Ausrüstung genommen und bin dorthin gelaufen, um Hockey zu spielen. Ein paar Jahre später war es der Freitagabend, an dem die verschiedenen Nachwuchsteams unserer Region gegeneinander antraten, zunächst die ganz Jungen, dann die etwas Größeren, am Ende die 16- bis 18jährigen. Da ging es gehörig zur Sache - Schlägereien, Strafen, johlende Zuschauer. Ich war dort dabei, bis ich 16 Jahre alt war, dann kamen andere Interessen, zum Beispiel war ich Schlagzeuger in einer Rockband. Ich habe auch erkannt, dass eine Profikarriere wohl außerhalb der Reichweite meiner Fähigkeiten lag. Doch ich bin dem Eishockey mein ganzes Leben lang verbunden geblieben.

...über ganz spezielle Eishockey-Erinnerungen

Wir hatten das Glück, dass unsere Familie an einem See lebte, der im Winter natürlich zugefroren war. Ich war immer der Erste, der aufs Eis ging, auch wenn dieses erst sechs, sieben Zentimeter dick war. Die schönste Erinnerung an diese Zeit betrifft eine klare, vom Mondschein erhellte Nacht. Eisiger Frost, der stille und dunkle Wald rund um den See, zu hören waren nur meine Skates, mit denen ich über die tagsüber frei geschaufelte Fläche flitzte. Der Mond spiegelte sich am Eis, das Spielfeld glänzte richtig. Ich träumte dabei, rechter Flügel der Toronto Maple Leafs zu sein und mit ihnen den Stanley Cup gegen den Erzrivalen aus Montreal zu gewinnen. Eine wunderschöne Erinnerung, die ich nie vergessen kann und werde: Der tiefe Winter, die Einsamkeit, die Natur Kanadas und der Traum eines kleinen Jungen - da war alles dabei. Jedes Jahr am "Hockey Day in Canada" denke ich gerne daran zurück.

...zur Rolle, die Eishockey heute im Botschafterleben spielt

Ich spiele selbst noch immer Eishockey, das ist einfach in meinem Blut. Wann immer es sich einrichten lässt, gehe ich am Dienstagabend in Ottawa mit Freunden, die ungefähr im gleichen Alter sind wie ich, aufs Eis. Wir haben ganz unterschiedliche Jobs, kommen aus unterschiedlichen Richtungen, aber gemeinsam ist uns die Liebe zum Spiel. Zwar verzichten wir auf hartes Körperspiel, es sprühen aber immer noch die Funken und das Adrenalin pumpt in den Adern. Das sind Momente, in denen wir uns wieder wie kleine Jungs fühlen. Der beste Teil ist natürlich das Schmähführen in der Kabine. Danach gönnen wir uns meistens ein Bier im Pub. Dort laufen die NHL-Spiele über die Screens und wir sind ganz in unserem Element. Es ist das Eishockey, auf dem unsere Unterhaltungen, unsere Späße und unsere Freundschaft aufbauen.
Natürlich nütze ich auch hier in Österreich jede Gelegenheit, um aufs Eis zu gehen. Im Vorjahr spielte ich regelmäßig mit Freunden in Baden, heuer war ich bei einigen Charity-Spielen dabei. Außerdem bin ich ein "Hockey Dad", wie man in Kanada sagen würde: Mein Sohn spielt im U12-Team der 48er Tigers, da übernehme ich den Job des Fahrers und lautstarken Fans. Die Weihnachtswoche habe ich mit meiner Familie in Salzburg verbracht, wo ich den ersten Women's Hockey Gold Cup eröffnete. Eishockey ist also auch hier in Österreich ein Teil meines Alltags, manche nennen mich auch "den kanadischen Eishockey-Botschafter".

...zur Bedeutung des Eishockeys in Kanada

Hockey hat in Kanada eine große Bedeutung - und das auf ganz unterschiedlichen Levels. Grundsätzlich ist es eine traditionelle Wintersportart, welche die Menschen - und speziell Kinder - während der langen Monate voll Schnee genießen. Seen, Flüsse und Teiche sind im Winter über viele Wochen hinweg zugefroren, dazu kommen all die selbst angelegten Spielflächen, in den Vorgärten der Häuser, auf den Schulhöfen und überall in den Städten. Jede größere Ortschaft hat ihre eigene Eishalle, die den lokalen Klub beheimatet, dazu kommen unzählige Freizeitligen für Menschen jedes Alters. Der Eishockeysport ist also überall präsent, ganz egal, ob man am Land weit weg von der nächsten Siedlung oder im Zentrum einer Großstadt lebt.

...zur Wirkung des Eishockeys in der kanadischen Gesellschaft

Neben der permanenten Präsenz des Eishockeys erscheint mir vor allem die Art und Weise, wie dieses Spiel Menschen verbindet, als wichtig. Kanada ist ein riesiges und vielseitiges Land, das immer mehr zu einem Einwanderungsland wird, in dem sich Menschen aus allen Teilen der Welt niederlassen. Eishockey erfüllt hier eine integrative Aufgabe, es ist ein attraktives Spiel, das recht leicht verständlich ist. Ob jemand aus Zentralafrika oder Südostasien kommt, die Chance ist hoch, dass er gleich bei seinem ersten Eishallen-Besuch zum Fan wird. Neben der Unterhaltung, die das - wie wir es nennen - "schnellste Spiel am Eis" bietet, eröffnet es so auch einen Einstieg in das gesellschaftliche Leben in Kanada. Ob am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder mit Menschen, die man kaum kennt, der Satz "Hast du das Spiel gestern gesehen?" eignet sich von Küste zu Küste dazu, um ins Gespräch zu kommen. In diesem Sinne weist das Hockey große integrative Kraft auf, denn das Spiel gehört uns allen, es geht uns alle an - ganz egal, woher man kommt oder wie lange man schon in Kanada lebt. Der Moment, in dem du zugibst, dass du Eishockey liebst, ist der Moment, in dem du in die kanadische Seele eindringst. Wir kennen dich dann besser, weil wir wissen, worüber du sprichst.

... über sein NHL-Lieblingsteam und die Dominanz US-Amerikanischer Teams

Ich unterstütze die Ottawa Senators, da unsere Familie in dieser Stadt lebt. Leider haben die heuer eine ziemlich trostlose Saison und liegen nur auf Platz 29 unter 30 Teams. Aber glücklicher Weise gibt es ja immer ein nächstes Jahr.
Was die Dominanz von US-Teams betrifft, so liegt diese darin begründet, dass die Erweiterungen der NHL in den letzten Jahrzehnten ausschließlich in den USA passiert sind, wo die TV-Märkte größer sind und es auch viel mehr Menschen gibt. Jetzt kommen unter den 30 Klubs nur noch sechs aus Kanada, was natürlich die Chancen reduziert, dass endlich wieder ein kanadisches Team den Stanley Cup holt. Aber sie kommen diesem Ziel immer näher: 2007 stand Ottawa im Finale, heuer hinterlässt Vancouver bisher einen sehr starken und vielversprechenden Eindruck. Die Hoffnung ist also da, wie immer im Leben. Wir drücken weiterhin die Daumen. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 11.Feber 2011)