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Übergangspräsident Mebazaa versprach raschen Übergang zur Demokratie.

Foto: Foto:/Hassene Dridi/AP/dapd

Tunesien stärkt seine Übergangsinstitutionen. Parlament und Senat - mit großer Mehrheit aus Abgeordneten der aufgelösten Ex-Staatspartei RCD bestehend - haben Übergangspräsident Foued Mebazaa mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und sich damit selbst entmachtet. Mebazaa, der am 15. Jänner nach dem Sturz von Zine El Abidine Ben Ali die Staatsführung übernahm, kann künftig etwa eine Generalamnestie oder Antiterrormaßnahmen per Dekret entscheiden. Außerdem kann er internationale Abkommen, wie den Beitritt zu Menschenrechtskonventionen, ohne Parlament ratifizieren.

Mebazaa versprach am Mittwoch in einer Fernsehansprache, diese neuen Machtbefugnisse zu nutzen, "um so schnell wie möglich und auf die beste Art und Weise" den Übergang zur Demokratie zu bewerkstelligen. Er werde die Parteien und die Zivilgesellschaft in alle Entscheidungen einbinden. Außerdem versprach er angesichts einer Welle von Streiks in allen wichtigen Sektoren der tunesischen Wirtschaft "Sozialverhandlungen auf nationaler Ebene", um die "soziale Situation aller Menschen im Volk in allen Bereichen zu regeln".

Tunesien steht vor einem Berg von Problemen. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Touristen bleiben aus. In mehreren Städten kam es auch in den vergangenen Tagen wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen von Demonstranten mit der Polizei. Die Demonstranten verlangen die Absetzung von Gouverneuren und Polizeichefs, die als RCD-belastet gelten.

Manager abgesetzt

Die Übergangsregierung unter Mohammed Ghannouchi scheint diesem nachzukommen. Eine Regierungsdelegation handelte mit der Gewerkschaft UGTT, die maßgeblich an den Protesten gegen Ben Ali beteiligt war, die Absetzung belasteter Führungskräfte aus. Darunter fallen auch eine Zahl von Gouverneuren, die erst vor kurzem eingesetzt worden waren. Außerdem wurde in den Gesprächen der Grundstein für den von Mebazaa angekündigten Sozialdialog gelegt. Die UGTT wird zudem einen Rat ins Leben rufen, in dem Oppositionsparteien und Vertreter der Zivilgesellschaft sitzen, um den Demokratisierungsprozess kritisch zu begleiten.

Das Innenministerium untersucht die Reaktion der Polizei auf verschiedene Demonstrationen am Wochenende, bei denen mindestens fünf Demonstranten ums Leben kamen. Außerdem hat die Übergangsregierung zwei Beschlüsse gefasst, um die Sicherheitslage im Land zu verbessern. Zum einen werden die Polizisten aufgefordert, sich umgehend zum Dienst zurück zu melden. Die Polizei ist völlig unterbesetzt, da unzählige Beamten seit dem Sturz Ben Alis nicht mehr am Arbeitsplatz erscheinen. Gleichzeitig ruft das Verteidigungsministerium die Reservisten der Armee auf, sich ab kommenden Mittwoch bei den Rekrutierungszentren ihres Wohnbezirkes einzufinden.

Die Regierung beriet über die Aufhebung der Ausgangssperre. In den Tagen nach dem Sturz Ben Alis dauerte diese von 17 bis 5 Uhr. Mittlerweile gilt sie nur noch von Mitternacht bis vier Uhr früh. (Reiner Wandler aus Madrid, STANDARD-Printausgabe, 11.02.2011)