Eier, versetzt mit Omega-3-Fettsäuren, Kaubonbons mit Vitaminen und probiotisches Joghurt: Die Zusätze im Functional Food sollen sich gesundheitsfördernd auf den Konsumenten auswirken.

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Omega-3-Fettsäuren in Eiern, Kalzium im Müsli und probiotische Bakterien im Vanillejoghurt: Ein Blick in die Supermarktregale zeigt, dass das so genannte "Functional Food" längst unsere Ernährung unterwandert hat. Funktionelle Lebensmittel, so der deutsche Begriff, sind Nahrungsmittel, die mit zusätzlichen Inhaltsstoffen angereichert sind, um die Gesundheit positiv zu beeinflussen. Vor allem Vitamine, Mineralstoffe, Bakterienkulturen und ungesättigte Fettsäuren werden zugesetzt.

Trend aus Japan

Der Trend dazu kommt aus Japan, wo der Begriff bereits seit 1988 gesetzlich verankert ist. In Europa gibt es bisher keine gesetzliche Definition für diese Produkte. "Das ist ein reiner Begriff des Marketings aus den 1990er-Jahren", erklärt Markus Zsivkovits, Lebensmittel-Gutachter bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Beim Functional Food setzt man auf den Dual-Use-Effekt. "Das heißt, das Produkt soll nicht nur satt machen und schmecken, sondern auch eine gesundheitliche Funktion ausüben."

Marketing oder Wirkung?

Alles nur ein Marketing-Gag? Für den zahlenden Konsumenten stellt sich vor allem die Frage, ob die Produkte auch wirklich halten, was sie versprechen. Das ist aber nicht so einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung legte sich 2002 darauf fest, dass Functional Food "grundsätzlich keine Garantie für eine bedarfsgerechte und ausgewogene Ernährung" sei. Ernährungsfehler ließen sich auch durch den Verzehr solcher Lebensmitteln nicht beseitigen. Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) entkräftigt die gesundheitliche Wirkung: Der Mehrwert, so heißt es in einem 2008 erschienenen Einkaufs-Ratgeber, sei vor allem für die Geldbörse spürbar. Wer sich ausgewogen ernähre, brauche so etwas im Normalfall nicht.

Man liest immer wieder, dass die besonderen Wirkungen auf die Gesundheit wissenschaftlich noch nicht hinreichend bewiesen sind. Das liegt aber mitunter daran, dass die Zahl der möglichen Zusätze groß ist und Tests sehr teuer sind. "Im Prinzip weiß aber jeder von uns, welche Lebensmittel welche Wirkung auf einen entfalten", sagt Zsivkovits und spricht Produkte wie Kaffee als Muntermacher oder Schokolade als Stimmungsheber an. Das heiße aber nicht, dass das wissenschaftlich nach strengsten Kriterien bestätigt sei. Bei Functional Food komme es primär auf die Substanz an, die zugesetzt wurde. Dass etwa Kalzium gut für die Knochen ist, sei im Allgemeinen bekannt.

Je exotischer, desto schwieriger nachweisbar

Auch Petra Rust vom Institut für Ernährungswissenschaften der Universität Wien findet grundsätzlich nichts Schlechtes an der Beigabe von gesundheitsfördernden Substanzen: "Omega-3-Fettsäuren haben eindeutig gesundheitsförderndes Potenzial. Dass sie Blutfette und unser Immunsystem positiv beeinflussen, ist bestätigt." Je exotischer die Substanzen, desto schwieriger wird es, ihre Wirkungen nachzuweisen. "Insbesondere bei Pflanzen ist es extrem schwierig, die Inhaltsstoffe und die Wirkung zu beschreiben", so Zsivkovits. Ein einfaches Beispiel ist der Kamillentee: Tut er dem Magen gut, weil er die Kamille verdauungsfördernd wirkt, oder ist es einfach das warme Wasser, das hilft?

EU-weite Nährwertprofile

Licht ins Dunkel könnte das derzeit laufende Prüfungsverfahren der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bringen. Es basiert auf einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2006, die EU-weite harmonisierte Vorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln festlegt. Die EFSA prüft derzeit mehr als 20.000 Aussagen zu Substanzen, um Nährwertprofile zu erstellen. Sinn der Sache ist, dass am Ende nur mehr Produkte im Supermarkt landen, die ihre Marketingaussagen über die Wirkung bestimmter Zusätze auch wirklich erfüllen.

Zsivkovits geht davon aus, dass rund 80 Prozent der bisher verwendeten Aussagen abgelehnt werden. "Das liegt daran, dass die EFSA sehr hohe Ansprüche stellt", erklärt er. Für die Untersuchungen wird bestehendes Wissen herangezogen, bei vielen Substanzen gibt es aber nur einen "Erfahrungsschatz". "In solchen Fällen wird die Behörde abwinken, weil keine wissenschaftlichen Studien nach den neuesten Kriterien vorliegen. Weil der Anspruch derart hoch ist, heißt das aber nicht, dass nicht genehmigte Aussagen kompletter Schwachsinn sind."

Lebensmittel sind keine Wundermittel

Was sagt das jetzt dem Kunden, was soll er kaufen, was lieber bleiben lassen? In welchen Fällen stimmen die Aussagen auf der Verpackung, wann sind sie Humbug? "Das hängt primär vom Produkt ab. Aussagen, die zu Vitaminen und Mineralstoffen gemacht werden, stimmen mit hoher Wahrscheinlichkeit. Je mehr ein Lebensmittel aber verspricht ein Wundermittel zu sein, mit desto mehr Vorsicht sollte man es genießen", sagt Zsivkovits. Alles, was unerfüllbare Wünsche wie Schlankheit oder einen schöneren Teint verspricht, davon sollte man besser die Finger lassen.

Von Bonbons oder anderen Süßigkeiten mit Vitaminzusätzen sollte man sich nicht täuschen lassen. "Die Problematik ist, dass das Lebensmittel ein Lebensmittel bleibt. Ein Zuckerl ist ein Zuckerl, auch wenn 10.000 Vitamine darin sind, wird daraus kein Heilmittel", sagt Zsivkovits. Rust stimmt zu: "Ich finde es unsinnig, Produkte die nur selten beziehungsweise in kleinen Mengen konsumiert werden sollten, wie zum Beispiel Süßigkeiten, mit Vitaminen anzureichern. Das macht geduldete Lebensmittel keineswegs zu besonders empfehlenswerten."

Zu Hohe Menge an Nährstoffen kann schaden

Functional Food sollte herkömmliche Lebensmittel weder ersetzen noch mit ihnen in Konkurrenz treten. "Es sollte nicht dazu dienen, das Gewissen zu beruhigen", sagt Rust. Es sei alles eine Frage der richtigen Menge, denn wer nur angereicherte Lebensmittel konsumiere, könnte durchaus über die wünschenswerte Zufuhr hinauskommen. "Wenn man chronisch zu viel von einem bestimmten Nährstoff konsumiert, kann es zu negativen Auswirkungen kommen."

An der Zielgruppe vorbei

Es stelle sich außerdem die Frage, ob funktionelle Lebensmittel die Zielgruppe auch erreichen. Ein Beispiel: Phytosterine in Margarine können bei entsprechendem Konsum den Cholesterinspiegel positiv beeinflussen. Aber: Zielgruppe sind Menschen mit zu hohem Cholesterinspiegel - Kinder dagegen sollten derartige Produkte nicht konsumieren. Weil sich innerhalb einer Familie aber meist alle ein und dieselbe Margarine teilen, kommen auch Kinder in den Genuss. Der Phytosteringehalt in solchen Produkten sei aber zu hoch für sie.

Untersuchungen zeigen außerdem, dass vor allem jene Menschen Functional Food und Nahrungsmittelergänzungsmittel konsumieren, die sich ohnehin gesund ernähren. "Wer ist der Konsument von mit Vitaminen angereicherten ACE-Säften? Meist eher derjenige, der ohnehin ausreichend Obst und Gemüse isst und optimal mit Antioxidantien versorgt ist", so Rust.

Adäquate Ernährung nicht ersetzen

Fazit: Das Geheimnis guter und gesunder Ernährung ist immer noch die Abwechslung. "Sehr oft ist der Griff zu Functional Food reine Selbstbetrügerei", sagt Zsivkovits, "zum Beispiel wenn jemand den ganzen Tag über Hamburger isst und versucht, das am Abend mit einem probiotischen Joghurt auszugleichen."

Functional Food sei nicht mehr und nicht weniger als "eine zusätzliche Wahlmöglichkeit im unendlichen Lebensmittelangebot". Ob der Griff dazu jemandem persönlich etwas bringe, müsse jeder für sich selbst entscheiden, dabei könne professionelle Unterstützung von einem Mediziner oder Ernährungsexperten helfen. "Functional Food kann ganz sicher nicht eine adäquate gesunde Ernährung ersetzen," so Rust abschließend. (Maria Kapeller, derStandard.at, 13.02.2011)